Projekt in Chikolongo zur Sicherung der Lebensgrundlagen – Malawi
In Malawi schützt Wasserversorgung Menschen und TiereGeschrieben von Nick Schonfeld
Unser Boot fährt langsam – an schnaubenden Flusspferden und Elefantenherden vorbei – den Shire River hinunter, Malawis wichtigstem Wasserweg und mutmaßlich in Teilen Inspiration für das Auenland, die Heimat von Frodo in „Der Herr der Ringe“ – die andere ist der Wald um Mount Mulanje, ein paar Autostunden südlich.
Neben uns treiben Inseln aus strahlend lilafarbenen Wasserhyazinthen auf ihrer langen Reise zu der Stelle, wo der Shire in den Sambesi mündet. In den nächsten drei Tagen wird dies unser Weg sein. Doch wir sind nicht wegen der Tierwelt hier. Wir sind wegen einem Pumpenhaus hier.
Ich hätte das Pumpenhaus übersehen, wenn Emmanuel, unser Bootspilot und African Parks-Guide, nicht darauf hingewiesen hätte: ein kleines, unscheinbares Bauwerk in der Farbe von verbranntem Bernstein, halb versteckt hinter Akazien und Mopanebäumen, die bis zum Flussufer wachsen. Neben dem Gebäude stehen erhöht die drei großen Solarpaneele, die das in dem unscheinbaren Bauwerk befindliche und doch lebenswichtige Gerät mit Strom versorgen. Eine Reserve-Dieselpumpe ist in einem anderen Gebäude ein wenig landeinwärts versteckt, um bei bedecktem Himmel oder einem Defekt eingesetzt werden zu können.
Erst bei Betreten des Flussufers wird einem bewusst, dass man sich in einem Nationalpark befindet. Elefanten, Flusspferde und Krokodile, die man eben noch aus sicherer Entfernung bewundern konnte, gehören nun zu den eigenen Nachbarn. Ein unheimliches Gefühl, das der Gemeinde, die die Fotografin Julia Gunther und ich hier besuchen, nur allzu vertraut ist.
Über Generationen hinweg war der Shire River die einzige Wasserquelle für die 13 Dörfer, die die ausgedehnte Chikolongo-Gemeinde bilden, welche an der westlichen Grenze des heutigen Liwonde-Nationalparks in Malawi liegt. Das Gebiet war und ist immer noch abgelegen, heiß und schwer zu erreichen. Es gibt kaum medizinische Kliniken, Infrastruktur oder Strom. Die Menschen in Chikolongo mussten sich selbst versorgen, was sowohl ihr eigenes Leben als auch die Umwelt stark belastete.
Männer, Frauen und Kinder liefen durch den Nationalpark zum Flussufer, um Wasser zu holen oder zu baden. Jeder Weg barg das Risiko von Verletzungen oder Tod. Caroline Chizwezwe, Büroassistentin beim Projekt in Chikolongo zur Sicherung der Lebensgrundlagen (Chikolongo Livelihoods Project, kurz CLP), beschrieb, wie sie mit ansehen musste, wie eine Freundin auf dem Weg zum Fluss von einem Elefanten zertrampelt wurde. Linly Chitseko, eine Teilzeit-Feldarbeiterin, erzählte mir von einem Verwandten, der beim Baden von einem Krokodil getötet wurde. Es gibt noch viele weitere solcher Geschichten.
Wie tödlich der scheinbar harmlose Weg von Chikolongo zum Fluss war, zeigt ein von der Sonne ausgebleichtes Stück Papier, das an der Wand des Pförtnerhauses hängt, das sowohl den Ein- und Ausgang zum Park als auch den Hauptsitz des CLP darstellt. Darauf stehen, kaum lesbar, die Namen von 21 Menschen, die allein im Jahr 2012 durch Mensch-Wildtier-Konflikte in dem Gebiet ums Leben gekommen sind.
Doch, dass Menschen auf der Suche nach Wasser ihr Leben verloren, stellte nicht das einzige Problem dar – auch ihre Felder waren nicht sicher. Elefanten, Affen und andere Wildtiere plünderten die Ernten der Gemeinde, die ohnehin unter geringen Erträgen litt. Mitglieder der Gemeinde betraten den Nationalpark, um nach Buschfleisch zu wildern oder Brennholz zu sammeln. Bevor das CLP 2013 startete, waren Mensch-Wildtier-Konflikte allgegenwärtig.
Das CLP ist eine Partnerschaft zwischen der Gemeinde Chikolongo, dem IFAW und Imani Development. Das Hauptziel des Projekts bestand darin, das Potenzial für Mensch-Wildtier-Konflikte zu verringern. Die ersten Schritte waren einfach, aber höchst effektiv. Der IFAW reparierte und baute Teile eines über sechs Kilometer langen, elektrifizierten Grenzzauns zwischen der Gemeinde und dem Liwonde-Nationalpark wieder auf und installierte eine Wasserpumpe am Flussufer.
Ein wenig mehr als acht Minuten dauert es, Dias Chigalu, dem Projektleiter des CLP, vom Pumpenhaus bis zur westlichen Parkgrenze zu folgen und dabei die gleiche Strecke zurückzulegen, die das Wasser nach dem Abpumpen aus dem Fluss zurücklegt. Dann, so plötzlich, wie man ihn betreten hat, geht man durch eine Holztür und ist aus dem Park heraus und steht mitten in diesem bemerkenswerten Projekt. Auf der rechten Seite liegen fünf Fischteiche und dahinter die 24 Familiengrundstücke der Gemeinde. Auf der linken Seite befinden sich zwei riesige Wassertanks, in denen das Wasser, das aus dem Fluss gepumpt wurde, gespeichert wird. Noch weiter entfernt liegen die Reis- und Maisfelder des Projekts. Zwei Zapfstellen versorgen 1.420 Menschen mit Wasser.
Mada Selenje, kommunaler Ansprechpartner und Landwirtschaftsbeauftragter von Imani Consultants für das Projekt, ist unser Reiseleiter für diese Tour. Keiner kennt das Projekt besser. Er kann die Hälfte eines jeden Monats in Chikolongo verbringen, um mit den Gemeindemitgliedern selbst zu pflanzen, zu jäten und zu ernten. Seine Gründe dafür sind klar. Sagen ihm die Arbeiterinnen und Arbeiter, dass sie müde sind, ist auch er müde; schmerzt ihr Rücken, tut es auch seiner. Sein „Führungsstil“ hat das nötige Vertrauen geschaffen, damit ein Projekt wie dieses funktioniert. Die Gemeinde hört auf Mada, weil sie weiß, dass er sie versteht. Sie wissen, dass ihm ihre Interessen am Herzen liegen.
Diese Interessen haben sich nicht geändert, seit der IFAW im Jahr 2008 zum ersten Mal in der Region tätig wurde. Die Gemeinde wollte einen sicheren Zugang zu Wasser, eine verbesserte Ernährungssicherheit und eine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das Problem war, dass sie keine Möglichkeit hatten, diese Dinge zu bekommen, ohne ihr Leben zu riskieren und die Umwelt zu schädigen.
Als die Pumpe in Betrieb genommen wurde, änderten sich die Dinge schnell. Das Leben blühte auf. Die Tanks und Teiche wurden gefüllt. Die Felder wurden bewässert und die Pflanzen wuchsen. Da das Wasser direkt in die Gemeinde gebracht wurde, mussten die im Dorf lebenden Menschen nicht mehr durch den Park laufen.
Der Bau des Elektrozauns verhinderte, dass Tiere die Ernten der im Dorf lebenden Menschen zerstörten. Die Menschen konnten Gemüse anbauen, um ihre eigene Ernährung zu ergänzen und Überschüsse zu verkaufen. Sie konnten nachts schlafen und mussten nicht mehr aufbleiben, um die Elefanten durch das Anzünden von Feuern zu verscheuchen. Das CLP beschäftigte Gemeindemitglieder, die einen Lohn verdienten, der in Vieh, Dünger, ein Fahrrad oder eine bessere Ausbildung für ihre Kinder investiert werden konnte.
Seitdem haben sich die Elefantenpopulationen im Park so gut entwickelt, dass Liwonde nun dabei hilft, andere Nationalparks mit Tieren zu helfen. Die Zahl der durch Mensch-Wildtier-Konflikte verursachten Todesfälle ist von durchschnittlich drei pro Monat auf null in sieben Jahren gesunken. Die Nahrungsmittelproduktion hat sich verbessert, was zu einem Anstieg der Proteinzufuhr um 71% und damit zu einer gesünderen Ernährung der Menschen geführt hat. Das durch die solarbetriebene Wasserpumpe ermöglichte Bewässerungssystem hat die Mais- und Reiserträge des Projekts verdoppelt oder sogar verdreifacht, und mehr als 60% der Gemeindemitglieder erzielen nun ein Einkommen aus dem Verkauf der Ernte ihrer Felder.
Ganz besonders ist jedoch vielleicht die Tatsache, dass die Chikolongo-Gemeinde die Wildtiere nun als wertvolles Gut betrachtet, das es zu erhalten gilt, und nicht mehr als Bedrohung oder Proteinquelle. Sie haben die positive Verbindung zwischen dem Schutz der Wildtiere und den verbesserten Möglichkeiten zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erkannt. Natürlich haben auch die Tiere davon profitiert. So schützt der Zaun vor Wilderei, und ihr Lebensraum wird nicht mehr abgeholzt.
Es ist jedoch nicht alles einfach. Mada ist der Meinung, dass das Projekt noch ein paar Jahre davon entfernt ist, völlig unabhängig zu sein. Er macht sich auch Sorgen um die Finanzierung. Mada verbringt viel seiner Arbeitszeit mit der Gemeinde und dem Organisationskomitee, das diese vertritt, um die Zusammenarbeit zu fördern. Meist funktioniert es, aber nicht immer. Und ja, es gibt immer noch Affen, die sich von Zeit zu Zeit in die Maisfelder schleichen.
Der Erfolg des CLP stellt den IFAW und Imani Consulting vor neue und ungewohnte Herausforderungen. Immer mehr Dörfer schließen sich an und setzen die begrenzte Wassermenge, die aus dem Fluss gepumpt werden kann, unter Druck. Das Organisationskomitee hat bereits „water slots“ eingeführt – das sind Zeiten, in denen die im Dorf lebenden Menschen Wasser von einer der Zapfstellen abholen können oder in denen die Bäuerinnen und Bauern ihre Felder bewässern können. Will das CLP mit der Nachfrage Schritt halten, muss es mit weiteren Pumpen und Solarzellen erweitert werden. Doch vorerst wollen Mada, sein Team und der IFAW es langsam angehen lassen, um sicherzugehen, dass das Projekt funktioniert, bevor an eine weitere Expansion gedacht werden kann.
Unabhängig davon hat das Projekt in Chikolongo zur Sicherung der Lebensgrundlagen deutlich gezeigt, dass ein partizipatorischer und inklusiver Ansatz zum Umgang mit Mensch-Wildtier-Konflikten, bei dem die Sorgen und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung berücksichtigt und nicht ignoriert werden, und bei dem die Organisationen an Lösungen arbeiten, statt nur „zu belehren und zu verschwinden“ (engl.: lecture and leave), die Zukunft des Natur- und Artenschutzes ist.
Das CLP gehört zu einem großen Teil der Gemeinde – so, wie es auch sein sollte. Die Gemeinde bearbeitet die Felder und kümmert sich um die Enten und Gänse. Sie füttern und pflegen die Nilbuntbarsche in den Fischteichen. Sie bewirtschaften die Familienparzellen und ernten Honig aus den Bienenstöcken. Sie wissen um die realen Vorteile, die dieses Projekt mit sich gebracht hat, denn es ist ihr Leben, das sich radikal verändert hat. Sie wissen, dass Wasser für sie selbst und auch ihre tierischen Nachbarn tatsächlich Leben bedeuten kann.
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