Aurore Morin
Europa will den Ozean leiser machen - für die Meeresbewohner
Europa will den Ozean leiser machen - für die Meeresbewohner
Anfang März hat die Europäische Kommission zum ersten Mal verbindliche Grenzwerte für Unterwasserlärm durch menschliche Aktivitäten In den EU-Gewässern festgelegt. Alle 27 europäischen Mitgliedstaaten sind nun verpflichtet, in ihren nationalen Rechtsvorschriften Grenzwerte für Unterwasserlärm festzulegen. Dies ist ein großer Fortschritt bezüglich des Schutzes der Meereslebewesen und ein großer Erfolg für den IFAW, der seit Jahren eine bessere Regulierung gefordert hat.
Unterwasserlärm wird zum großen Teil durch die kommerzielle Schifffahrt und die Offshore-Öl- und Gasindustrie verursacht. Sie hat weitreichende negative Auswirkungen auf Meerestiere wie Delfine und Wale, die sich anhand von Tönen orientieren, ihre Nahrung und Artgenossen suchen und miteinander kommunizieren.
Verbindliche Grenzwerte
Vor zehn Jahren begann IFAW-Walforscher Russell Leaper in einer technischen Arbeitsgruppe mitzuarbeiten. Die Europäische Union beauftragt die Gruppe für die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) Grenzwerte für Unterwasserlärm zu erarbeiten. Die MSRL legt mehrere EU-weite Leitlinien und Maßnahmen fest, um sicherzustellen, dass unsere Meere gesund, sauber und voller Leben bleiben. Von den Mitgliedstaaten wird erwartet, dass diese ihre eigenen Rechtsvorschriften entsprechend anpassen. Die Arbeitsgruppe einigte sich im November 2022 auf Grenzwerte für Dauer- und Impulslärm, die nicht überschritten werden sollten, um übermäßige negative Auswirkungen auf das marine Leben zu vermeiden:
- Dauerlärm: Nicht mehr als 20% eines Meeresgebiets dürfen über ein Jahr hinweg kontinuierlichem Unterwasserlärm ausgesetzt sein.
- Impulslärm: Nicht mehr als 20% eines marinen Lebensraums dürfen an einem Tag Impulslärm ausgesetzt sein, und nicht mehr als 10% über ein Jahr hinweg.
Die Kommission hat diese Grenzwerte, die ursprünglich als Empfehlung an die EU-Mitgliedstaaten gerichtet waren, nun verbindlich vorgeschrieben, d. h. die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sie in ihre nationalen Rechtsvorschriften aufzunehmen.
Wie man die Lautstärke drosselt
Die EU-Mitgliedstaaten müssen nun diese Grenzwerte in ihre nationale Gesetzgebung aufnehmen, doch es gibt ein Problem: Die Kommission hat ihnen nicht genau gesagt, wie das passieren soll. Deshalb hält der IFAW einen weiteren Schritt für notwendig: Konkrete und wirksame Maßnahmen müssen in den Text der Richtlinie eingefügt werden. Das muss bei der anstehenden Überarbeitung der MSRL geschehen und es den europäischen Mitgliedstaaten ermöglichen, diese Grenzwerte für Unterwasserlärm anzuwenden.
Eine dieser Maßnahmen könnte die Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeiten sein. Die IFAW-Kampagne zur Reduzierung von Schiffsgeschwindigkeiten, Blue Speeds, fordert eine Obergrenze von 75% der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit eines Schiffes, was je nach Schiffstyp einer Geschwindigkeitsreduzierung von 5 bis 10% entspricht. Dies ist die praktikabelste und am leichtesten umsetzbare Maßnahme, die die Schifffahrtsbranche zur Einhaltung der angenommenen Grenzwerte ergreifen kann. Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass Blue Speeds die Unterwasserlärmbelastung in EU-Gewässern um 25% und das Risiko von Schiffskollisionen mit Walen um 23% verringern könnte; auch der Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und die Luftverschmutzung durch den Schiffsverkehr könnten um jeweils etwa 8% gesenkt werden.
Es ist nun Aufgabe der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten klare Leitlinien für die Verringerung des Unterwasserlärms an die Hand zu geben. Bitte unterzeichnen Sie unsere Petition, um die EU aufzufordern, diese praktische Lösung zur Verringerung des Unterwasserlärms anzuwenden und die neuen Grenzwerte einzuhalten.
Unterwasserlärm bedroht Tiere
Wie auch an Land sind Tiere unter Wasser enormen Herausforderungen ausgesetzt, die durch menschliche Aktivitäten verursacht werden. Neben Umweltverschmutzung, Überfischung und der Klimakrise hat auch der Unterwasserlärm enorme negative Auswirkungen auf das marine Leben.
Wale und Delfine sind z.B. auf ihr Gehör angewiesen, um Nahrung zu finden, miteinander zu kommunizieren und zu navigieren. Die Lärmbelastung durch den Menschen stört diese Meeresbewohner, vertreibt sie aus ihren Lebensräumen und versetzt sie in Panik. Dies kann schwerwiegende Folgen haben – die Tiere finden etwa keine Nahrung mehr oder verlieren den Kontakt zu Artgenossen. Die Entfernung, über die Blauwale miteinander kommunizieren können, betrug früher rund 1.600 Kilometer, das hat sich aufgrund des Unterwasserlärms auf nur noch etwa 160 Kilometer verringert.
Die durch den Unterwasserlärm eingeschränkte Orientierung führt auch zu häufigen Kollisionen mit Schiffen. Hunderte von Walen sterben jedes Jahr aufgrund von Kollisionen mit Schiffen auf See.
Der IFAW kämpft für einen gesünderen Ozean
Der IFAW setzt sich dafür ein, die Meere gesünder zu machen. Unsere Arbeit umfasst die Rettung gestrandeter Meeressäuger, den Kampf gegen den Beifang in der Fischerei und den Schutz wichtiger mariner Lebensräume. Wir informieren und engagieren Menschen auf der ganzen Welt über unsere Mission zum Schutz des Ozeans und setzen uns für politische Veränderungen zum Schutz der Meeresbewohner ein. Unser Ziel ist es, einen positiven Einfluss auf das Wohlergehen der Meeressäuger und die allgemeine Gesundheit des Ozeans zu haben.
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