Als ein abgemagertes Elefantenkalb in der Nähe eines sambischen Dorfes umherirrte – von der Mutter und ihrer Herde keine Spur –, handelte die Gemeinde sofort. Es war nicht das erste Mal, dass sie ein verwaistes Kalb fanden. So kontaktierten die Menschen vor Ort schnell Game Rangers International (GRI), eine Partnerorganisation des IFAW, um das Waisenkind zu retten.
Chrispine, eine Rangerin von GRI, wusste, dass der hungrige kleine Elefant in den nahe gelegenen Wald fliehen könnte. Dort wäre es fast unmöglich gewesen, ihn wiederzufinden. Daher bat Chrispine die Dorfgemeinschaft von Chikumbi, das Kalb in Sicherheit zu bringen, bis GRI eintraf. Darüber hinaus bat sie darum, dem Kalb ein Loch zu graben, damit es Wasser trinken und im Schlamm baden konnte, was für Elefanten wichtig ist, um sich zu kühlen und ihre Haut zu schützen.
Die Gemeinde handelte sofort, um das Elefantenkalb zu schützen. Sie tauften es auf den Namen Okondewa (kurz Ndewa), was in der lokalen Sprache Chichewa „geliebt“ bedeutet.
Das Elefantenkalb befand sich in einem kritischen Zustand
Als das Team von GRI eintraf, war Ndewa extrem abgemagert und wirkte sichtlich verwirrt. Sie schätzten, dass das Elefantenkalb wahrscheinlich rund zwei Jahre alt war. Ein Alter, in dem Elefanten zwar bereits anfangen selbstständig Nahrung aufzunehmen, aber zusätzlich noch Muttermilch trinken müssen, um ausreichend Proteine und Fett zu konsumieren.
Das Rettungsteam fand in ihrem Dung Samen von Masao- und Mbola-Früchten. Ndewa hatte durch die Aufnahme dieser Nahrung bis hierhin überlebt. Ihrem zerbrechlichen Zustand nach zu urteilen, hatte das Kalb jedoch wahrscheinlich ungefähr einen Monat lang keine Milch getrunken.
Viel länger, und ihre Überlebenschancen wären gleich null.
Das Team lud Ndewa vorsichtig in einen Anhänger, den der IFAW zur Verfügung gestellt hat, und verbrachte die Nacht im Hauptquartier des Department of National Parks and Wildlife in der Nähe. Ihr Zustand war so kritisch, dass man ihr nicht sofort Milch geben konnte – sie hatte schon zu lange keine mehr bekommen. Um ihre Energie und ihren Flüssigkeitshaushalt wieder aufzufüllen, gab man ihr Elektrolyte und die Früchte, die sie gewohnt war.
Dann stabilisierte das Team das junge Elefantenkalb für die achtstündige Reise am nächsten Tag zum Elefantenwaisenhaus in Lusaka, wo der IFAW und GRI verwaiste Kälber rehabilitieren. Das Ziel ist, jedes Tier, wenn möglich, wieder auszuwildern.
Warum war Ndewa allein?
Das Dorf Chikumbi liegt in der Nähe des Sambesi-Flusses, gegenüber von Simbabwe und dem benachbarten Mosambik. Hier überqueren häufig Elefanten den Fluss.
GRI schrieb: „Es ist möglich, dass dieses junge Kalb bei einer dieser Überquerungen von seiner Herde getrennt wurde. Wilderei und Mensch-Wildtier-Konflikte bleiben jedoch eine ständige Bedrohung in der Rufunsa Game Management Area.“
Wilderei ist gerade in Grenzregionen ein großes Problem, da Kriminelle hier die Möglichkeit haben, Elefanten wegen ihres Elfenbeins zu töten, und daraufhin in ein Nachbarland zu fliehen. Sterben Elefantenmütter, haben ihre Kälber tragischerweise kaum eine Überlebenschance – vor allem, wenn diese noch auf Milch angewiesen sind.
„Es ist das 17. Elefantenwaise, das wir aus diesem Gebiet gerettet haben“, so GRI weiter.
Eines der geretteten Elefantenkälber ist nach dem Dorf, in dem sie selbst und auch Ndewa gefunden wurden, benannt. Chikumbi wurde letztes Jahr gerettet, nur wenige Tage nach der Eröffnung des neuen Elefantenwaisenhauses im Lusaka National Park. Sie war einer der ersten Elefanten, die Ndewa in dem Waisenhaus willkommen hießen.
Der lange Weg zur Besserung
Ndewa steht erst am Anfang eines langen Weges. In freier Wildbahn sind Elefanten in der Regel bis zum 16. Lebensjahr auf ihre Mütter angewiesen. Verwaiste Elefantenkälber müssen nicht nur Überlebenstechniken, sondern auch soziale Fähigkeiten erlernen.
Deshalb dauert es im Durchschnitt zwölf Jahre, bis ein verwaistes Elefantenkalb rehabilitiert ist.
„Ndewas Überleben wird nur mit spezieller Ernährung und ständiger Überwachung und Pflege möglich sein“, schrieb GRI. „Sie wird sicherlich viel Liebe brauchen, um durchzukommen, da sie ein schweres emotionales Trauma erlitten hat und auch körperlich durch den Hunger stark beeinträchtigt ist.“
Glücklicherweise findet Ndewa all dies bei dem engagierten Team des Elefantenwaisenhauses.
Hoffnung mit jeder Flasche
Nur wenige Tage nach ihrer Rettung schickte Shonagh Massie von GRI ein Update an den IFAW: „Ndewa geht es bisher erstaunlich gut, wenn man ihren schrecklichen Zustand bedenkt. Sie lernt, eine Flasche zu benutzen und sucht Trost beim Pflegeteam. Sie schläft gut, was zeigt, dass sie sich in ihrer neuen Umgebung entspannt, obwohl das Team ihr oft auf die Beine helfen muss, da sie noch sehr schwach ist.
„Aber mit jeder Flasche schöpfen wir ein wenig mehr Hoffnung.“
Nach ein paar Wochen ermutigte das Team des Elefantenwaisenhaues Ndewa dazu, den Stall zu verlassen und das umzäunte Gelände außerhalb des Stalls zu erkunden. Sie blieb sehr wachsam und suchte die Nähe des Pflegepersonals, das sie bald wieder in den Stall zurückbrachte, damit sie sich dort ausruhen konnte, wo sie sich sicher fühlte.
Lisa Olivier, Beraterin für Verhalten im Artenschutz, sagte: „Waisenkinder, die vor ihrer Rettung lange Zeit auf sich allein gestellt waren, benötigen einen sehr langsamen Rehabilitationsprozess, da sie sich sowohl physisch als auch psychisch von vielem erholen müssen.“
Nach ein paar Tagen, in denen Ndewa das Gehege allein erkundet hatte, war sie endlich bereit, die anderen geretteten Waisen, ohne die Sicherheit der hölzernen Trennwände zwischen ihren Ställen, zu treffen. Chikumbi und die anderen begrüßten Ndewa mit Neugierde und freundlichem Verhalten.
Ndewas Gesundheitszustand ist stabil, und sie gewinnt jeden Tag an Kraft und Dynamik. Die Zeit, die Ndewa auf den Spaziergängen mit den anderen Elefantenwaisen verbringt, ist ein wichtiger Teil ihrer Genesung und ihres Wohlbefindens geworden.
Warum Ndewa – und jeder einzelne andere Elefant – so wichtig ist
Laut Roter Liste der IUCN ist die Art des Afrikanischen Elefanten stark gefährdet. Für derart gefährdete Arten ist jedes einzelne Individuum entscheidend für das Überleben der gesamten Art.
Elefanten sind Schlüsselarten, d. h. wenn sie verschwinden, können ganze Ökosysteme zusammenbrechen.
Elefanten wie Ndewa können nur überleben, wenn ihnen sichere Wege zur Verfügung stehen, um sich frei in ihrem natürlichen, gesunden Lebensraum bewegen zu können. Aus diesem Grund hat der IFAW die Initiative Room to Roam ins Leben gerufen. Ein ehrgeiziges und visionäres Konzept zum Schutz der Elefanten und der menschlichen Gemeinden, mit denen sie Land und Ressourcen teilen.
Ndewa, Chikumbi und die anderen verwaisten Kälber des Elefantenwaisenhaues in Lusaka werden – hoffentlich – eines Tages in die Wildnis zurückkehren. Vielleicht bekommen sie dann sogar eigene Kälber. Die IFAW-Initiative Room to Roam möchte sicherstellen, dass diese Kälber niemals das Trauma erleiden müssen, das Ndewa und Chikumbi erlitten haben.
Stattdessen werden sie frei, sicher und glücklich durch eine gesunde Landschaft streifen können.
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