Leben mit Wölfen in Deutschland
Der Wolf kehrt zurück – und wir müssen wieder lernen, mit ihm zusammenzulebenHeute hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) beschlossen, die den Abschuss ganzer Rudel von Wölfen ermöglicht. Ziel der Änderung ist, Rechtssicherheit für den Abschuss von Wölfen zu erlangen.
Die Änderung führt leider nicht zu mehr Rechtssicherheit, da sie in mehreren Punkten der Flora-fauna-Habitatrichtlinie (FFH) widerspricht. Das lässt befürchten, dass erneut Gerichte diese Widersprüche klären müssen, die eigentlich von der Politik hätten beantwortet werden müssen.
Unsere Erfahrung zeigt, dass Risse von Weidetieren durch den Wolf durch geeignete Herdenschutzmaßnahmen vermieden werden können. Diese müssen konsequent umgesetzt und durch die Regierung gefördert werden. Leider hat die Bundesregierung erst kürzlich die Chance verpasst, Weidetierhalter bei solchen Maßnahmen zu unterstützen, indem sie die Einführung der Weidetierprämie verhindert hat.
Aber zurück zum Wolf. Weidetiere sind nur zu einem sehr kleinen Bestandteil Beute der Wölfe, nur 1% der Nahrung der Wölfe sind Weidetiere. Natürlich ist diese Zahl für Betroffene irrelevant, wenn ihre Tiere gerissen wurden. Aber es hilft vielleicht, die Perspektive zu wahren. Auch ohne die jetzt beschlossene Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes war es möglich, einzelne Wölfe, die wiederholt Weidetiere angegriffen hatten, zu schießen.
Naturschutz-, Tierschutz- und Nutzerverbände haben gemeinsam schon vor einiger Zeit Leitlinien entwickelt, wie eine Koexsitenz von Wölfen und Weidetieren möglich sein kann.
Mehr Rechtsunsicherheit statt Klarheit
Mit der Änderung soll ermöglicht werden, dass Wölfe geschossen werden können, ohne dass Schäden einem bestimmten Wolf zugeordnet werden müssen. Wie das praktisch umgesetzt werden soll, ohne dass wahllos alle Wölfe in der Umgebung eines Risses geschossen werden, ist völlig unklar. Hier scheint die Politik Geschenke an bestimmte Interessenverbände zu verteilen. Fachlich sinnvoll ist das nicht. Wie diese Änderung helfen soll, das Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung „Arten erhalten – Lebensräume schützen“ zu erreichen, wird ein Geheimnis der Regierung bleiben.
Der Abschuss von Wölfen ohne eine eindeutige Zuordnung von Schäden zu einzelnen Wölfen steht im Widerspruch zu der FFH Richtlinie und kann ein Vertragverletzungsverfahren durch die EU nach sich ziehen.
Neue Begrifflichkeiten helfen nicht weiter: Im neuen Gesetz wird nicht mehr von „erheblichen“ wirtschaftlichen Schäden gesprochen, „ernste“ wirtschaftliche Schäden sollen nun schon als Grund für einen Abschuss ausreichen. Aber werder „erheblich“ noch „ernst“ sind in diesem Sinne juristisch feststehende Begriffe. Gerichte werden klären müssen, was „ernste“ wirtschaftliche Schäden sind.
- Andreas Dinkelmeyer (Campaigns & Communications Manager - IFAW Deutschland)
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