Exotische Haustiere: Nachfrage heizt die Wildtierkriminalität in spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas an
Exotische Haustiere: Nachfrage heizt die Wildtierkriminalität in spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas an
5 Dezember 2024
Hamburg, 5. Dezember 2024 – Laut einem neuen Bericht nehmen Wilderei und illegaler Wildtierhandel in 18 hispanoamerikanischen Ländern zu – eine ernste Gefahr für die Artenvielfalt in der Region.
Der Bericht Wildlife Crime in Hispanic America: An analysis of seizures and poaching incidents (2017-2022) („Wildtierkriminalität in Hispanoamerika: Eine Analyse von Beschlagnahmungen und Wilderei Vorfällen (2017-2022)“) dokumentiert insgesamt 1.945 Beschlagnahmungen und Wilderei Vorfälle, über die im Berichtszeitraum in den Medien berichtet wurde und die mehr als 100.000 Tiere betrafen. Von Anfang bis Ende des Untersuchungszeitraums ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen: von 257 Fällen im Jahr 2017 auf 431 Fälle im Jahr 2022.
In Auftrag gegeben wurde der Bericht vom IFAW (International Fund for Animal Welfare). Darin werden Entwicklungstrends beim illegalen Wildtierhandel in Argentinien, Bolivien, Chile, Costa Rica, der Dominikanischen Republik, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela untersucht. Der Bericht wird von einem interaktiven Online-Dashboard begleitet. Über dieses können die Nutzer:innen auf sämtliche Daten zugreifen können, die im Rahmen der Untersuchung zusammengetragen wurden.
Die höchste Wildtierkriminalität wurde in Mexiko, Kolumbien, Argentinien, Peru und Bolivien gemeldet. Dabei ereigneten sich 27,9% aller Vorfälle in Mexiko: 45% der Tiere wurden hier gewildert bzw. beschlagnahmt.
Die Beschlagnahmungen und Wilderei-Vorfällen betrafen mindestens 690 verschiedene Arten, darunter Süßwasserschildkröten, Kaimane, Pfeilgiftfrösche, Sittiche, Aras, Jaguare, Pumas sowie Brüll- und Klammeraffen. Obwohl der Handel mit aus Wildtieren hergestellten Produkten ein erhebliches Problem darstellt, waren zur Überraschung der Forscher:innen in 92,5% der Fälle lebende Tiere im Spiel. Diese waren vor allem für den Handel mit exotischen Haustieren bestimmt, der vor allem durch die sozialen Medien immer beliebter wird. Am häufigsten wurden Reptilien beschlagnahmt. Sie machten 59% der Fälle aus, gefolgt von Vögeln mit 27,5%, Amphibien mit 9,5% und Säugetieren mit 4%.
In Hispanoamerika ist Wildtierkriminalität ein äußerst lukratives Verbrechen, das mit geringen Risiken verbunden ist: Die Strafverfolgung beschränkt sich häufig darauf, zu reagieren, statt initiativ Maßnahmen zu ergreifen.
Die Recherchen für den Bericht ergaben, dass der Handel zwar hauptsächlich auf sich bietenden Gelegenheiten basiert, europäische Wildtierhändler*innen aber gezielt auf Arten abzielen, die nicht in CITES gelistet sind - wahrscheinlich, weil die Strafen für den Schmuggel solcher Tiere in der EU geringer sind. Der Schmuggel findet in der Region auch grenzüberschreitend statt. Die Kriminellen nutzen die weniger strengen Gesetze in den Nachbarländern aus.
Es wurde auch festgestellt, dass im Bereich der organisierten Kriminalität Gruppen, die sich hauptsächlich auf Drogen, Menschenhandel und Schusswaffen spezialisiert haben, im illegalen Wildtierhandel aktiv sind, um ihre Einnahmen zu diversifizieren. So sollen mexikanische kriminelle Banden Wildtierprodukte an chinesische Händler:innen verkaufen und im Gegenzug Fentanyl und Methamphetamine erhalten, die sie dann ins Ausland verschicken. Es gibt auch Fälle, in denen Kriminelle mit illegalen Geldern teure exotische Wildtiere kaufen und weiterverkaufen, um auf diese Weise Geld zu waschen.
„Der Bericht zeichnet ein erschreckendes Bild von der Situation der Wildtiere in der Region. Es wurden 1.945 Vorfälle registriert. Da es sich aber nur um die vereitelten Fälle handelt, über die auch in den Medien berichtet wurde, ist dies nur die Spitze des Eisbergs. Der illegale Handel mit diesen Wildtieren ist offensichtlich weit verbreitet. Um den großen Artenreichtum in der Region zu schützen, müssen dringend koordinierte Maßnahmen ergriffen werden“, sagt Bianca Becherer, Programmmanagerin Wildtierkriminalität beim IFAW.
Die meisten der betroffenen Wildtiere bleiben auf dem lokalen oder regionalen Markt, aber 2,6% der Beschlagnahmungen waren eindeutig für die USA, Europa und Asien bestimmt. Häufig handelte es sich um seltene und endemische Arten, was eine erhebliche Gefahr für gefährdete Wildtiere darstellt. Viele der illegal gehandelten Arten werden von der Weltnaturschutzunion IUCN als „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Da in den Artikeln selten die gesamte Kette mit Herkunft, Transit und Bestimmungsort detailliert dargestellt wird, ist davon auszugehen, dass die Zahl der ins Ausland geschmuggelten Wildtiere noch deutlich höher liegt.
„Der deutliche Anstieg der Wildtierkriminalität in der Region gibt Anlass zur Sorge, dass Wilderei und illegaler Wildtierhandel zunehmen. Dies bedeutet nicht nur viel Leid und eine hohe Sterblichkeitsrate für die Tiere: Es besteht auch die Gefahr der Ausbreitung von Zoonosen mit weitreichenden, verheerenden Folgen. Das haben wir in den letzten Jahren mit COVID-19, SARS, MERS, Zika und Ebola bereits erlebt“, so Becherer weiter. „Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, die treibenden Kräfte der Wildtierkriminalität auf nationaler und internationaler Ebene anzugehen. Es werden wichtige Möglichkeiten für eine effektivere Strafverfolgung und umfassende Schutzbemühungen aufgezeigt.“
Als Teil seiner Empfehlungen fordert der IFAW verstärkte Schritte gegen Wilderei und Wildtierhandel, gemäß der Erklärung von Lima zum illegalen Wildtierhandel. Dazu gehören die Einstufung von Wilderei und Wildtierhandel als schwere Straftaten und die Verhängung wirksamer Sanktionen und Strafen gegen Online-Wildtierkriminalität.
Report (EN): Link zum Download
Executive Summary (EN): Link zum Download
Online Dashboard: https://www.ifaw.org/campaigns/wildlife-crime-in-hispanic-america
Foto: © Gendarmeria Nacional Argentina CC BY 4.0
Für weitere Informationen oder Interviews kontaktieren Sie bitte:
Raphael Heinetsberger
Pressesprecher
t: +49 (0) 40 866 500 38
e: rheinetsberger@ifaw.org
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