Einzelne Tiere entscheidend im Kampf gegen das sechste Massensterben
Einzelne Tiere entscheidend im Kampf gegen das sechste Massensterben
2 August 2017
Die Artenvielfalt macht unsere Welt so einzigartig. Als Gesamtheit aller Lebewesen ist sie ausschlaggebend für unser Fortbestehen und dafür, dass das Leben auf der Erde weiterhin funktioniert. In einer im Juli in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift in den USA veröffentlichten Studie wird untersucht, wie es um die Artenvielfalt steht. Sie kommt zu der besorgniserregenden Schlussfolgerung, dass ein „sechstes Massensterben“ in vollem Gange ist.
Die Autoren der Studie, Gerado Ceballos, Paul Ehrlich und Rodolfo Dirzo, warnen, dass „der starke Fokus auf dem Aussterben von Arten, ein maßgeblicher Aspekt der aktuellen Welle biologischer Ausrottung, häufig den falschen Eindruck erweckt, die Tier- und Pflanzenwelt der Erde wäre nicht unmittelbar bedroht, sondern trete nur langsam in eine Phase des starken Rückgangs der Artenvielfalt ein.“ Schon diese Aussage ist beunruhigend, aber der Report ist besonders deshalb so differenziert, weil er regionale Populationen kritisch betrachtet und nicht nur die weltweiten Populationen, auf die im Hinblick auf das Aussterben so häufig Bezug genommen wird.
Die Autoren der Studie werteten Daten zu 27.600 Landwirbeltierarten aus und stellten fest, dass bei einem Drittel davon der Bestand zurückgeht. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass diese schrumpfenden Arten streng gefährdet sind. Wie Cellabos anmerkt, kann dies jedoch dazu führen, dass man sich fälschlicherweise in Sicherheit wiegt. Das Forscherteam wertete außerdem historische Daten zu 177 Säugetierarten aus. Bei sämtlichen Arten war ein Rückgang des historischen Verbreitungsgebiets um 30 Prozent zu verzeichnen, und bei fast der Hälfte dieser Arten betrug der Rückgang seit 1900 über 80 Prozent.
Ed Yong, Autor der Zeitschrift Atlantic, kommentiert sehr wortgewandt: „Wenn eine Art vollständig verschwindet, ist das ein bedeutender, unumkehrbarer Verlust. Aber dieses Kippen von vorhanden zu fehlend, von existent zu ausgestorben, ist nur der Endpunkt einer langen Phase des Rückgangs. Bevor eine Art vollständig verschwindet, verschwindet sie zunächst regional. Und jedes regionale Aussterben spielt ebenfalls eine Rolle.“
So waren etwa Löwen früher einmal von Afrika bis nach Südeuropa und Nordindien verbreitet. Jetzt gibt es sie noch in voneinander getrennten Arealen, und ihre Populationszahlen sind in den letzten 20 Jahren um 43 Prozent zurückgegangen.
Auch die Giraffen-Populationen sind um 40 Prozent zurückgegangen. Beim Afrikanischen Elefanten gibt es einen Rückgang von 30 Prozent, bei Waldelefanten beträgt er über 80 Prozent.
„Wenn Jaguare in Mexiko aussterben, spielt es für die Funktion, die sie in den Ökosystemen Mexikos haben, keine Rolle, ob es in Brasilien noch Jaguare gibt“, so Ceballos gegenüber dem Atlantic. „Vielleicht können wir den Kalifornischen Kondor für immer erhalten, aber wenn es nur noch 10 oder 12 Individuen gibt, werden sie ohne menschliches Eingreifen nicht überleben können. Wenn wir unser Augenmerk nur auf das Aussterben von Arten richten, lassen wir das Wesentliche außer Acht.“
Daten der Weltnaturschutzunion (IUCN) zeigen, dass die Hauptursache in diesem Fall der Lebensraumverlust ist, gefolgt vom Jagen und Sammeln sowie der Einschleppung nicht heimischer bzw. invasiver Arten. In dem Beitrag heißt es: „Schon jetzt wirken sich die starken Rückgänge der Bestände nachteilig auf die Leistungen aus, die Ökosysteme der Zivilisation bieten. Beim Befassen mit diesem beängstigenden Angriff auf das Fundament der menschlichen Zivilisation darf man nie vergessen, dass die Fähigkeit der Erde, Lebewesen – auch dem Menschen – ein Zuhause zu bieten, von den Lebewesen selbst geprägt wurde.“
Vor dem Hintergrund dieser Studie und unserer eigenen Erfahrungen lässt sich nicht leugnen, dass das sechste Massensterben im Gange ist. Wie in der Studie angemerkt wird, bildet das Aussterben von Populationen den Auftakt zum Aussterben von Arten. Jacquelyn Gill von der University of Maine stellt im Atlantic fest: „[Ceballos neue] Studie ist deshalb so bedeutend, weil ihr Schwerpunkt nicht auf den Verlusten liegt, sondern auf den frühen Alarmsignalen. Häufig gehen einem Aussterben Populationsrückgänge voraus. Und gegen diesen Prozess können wir tatsächlich etwas unternehmen.“
Gleichzeitig glauben wir vom IFAW schon lange, dass wir den Wendepunkt verpasst haben und dass herkömmliche Naturschutzmethoden einfach nicht mehr ausreichen. Wenn man sieht, was für einer gewaltigen Belastung manche Populationen ausgesetzt sind, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass es eben doch auch auf die einzelnen Tiere in diesen Populationen ankommt. Und darum retten wir Tiere, darum wildern wir Tiere wieder aus, und darum schaffen wir sichere Lebensräume für sie. So sieht der Naturschutz der Zukunft aus.
Unsere Organisation hat darauf hingearbeitet, russische Amurtiger wieder in ihrem natürlichen Lebensraum anzusiedeln. In freier Wildbahn leben nicht einmal mehr 500 dieser Großkatzen. Der IFAW hat sechs verwaiste Tigerjunge wieder ausgewildert. In Indien setzen wir uns aktiv dafür ein, Nashörner zu retten und wieder auszuwildern, um sie wieder im Manas-Nationalpark anzusiedeln. Ebenso gibt es nicht einmal mehr 50.000 Asiatische Elefanten in freier Wildbahn. Der IFAW hat 20 Elefantenkälber aufgezogen und wieder ausgewildert, die sich erfolgreich wilden Herden angeschlossen haben.
Wir glauben, dass naturschutzbezogene Entscheidungen mit Blick auf ökologische und biologische Nachhaltigkeit getroffen werden sollten. Mit der wachsenden menschlichen Population und ihrer Entwicklung verschwinden die unberührten Gebiete der Erde zunehmend, und dies wiederum steht in direktem Zusammenhang mit der Artenvielfalt eines bestimmten Gebiets. Wir brauchen Tiere. Sie spielen für den Menschen und die Erde eine bedeutende Rolle.
Wollen wir eine Welt, in der die Artenvielfalt erhalten bleibt, dann müssen wir maßgebliche Lebensräume für wild lebende Tiere auch angesichts einer wachsenden menschlichen Bevölkerung bewahren.
Der Bericht bringt es auf den Punkt: Die Fähigkeit der Erde, Lebewesen ein Zuhause zu bieten, wird von den Lebewesen selbst geprägt.
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