Wie sich die Fragmentierung von Lebensräumen auf Wildtiere auswirkt
Wie sich die Fragmentierung von Lebensräumen auf Wildtiere auswirkt
8 Mai 2024
Wenn Teile eines Lebensraums einer Art beschädigt oder gar zerstört werden, zum Beispiel durch Naturkatastrophen oder durch menschliche Aktivitäten wie Landwirtschaft, Bau von Verkehrslinien oder Siedlungen, bleiben von einem ehemals großen Lebensraum nur noch voneinander isolierte Fragmente übrig. Dieser Prozess wird als Fragmentierung von Lebensräumen bezeichnet – eine der größten Bedrohungen für Wildtiere in allen Teilen der Welt, in denen auch Menschen leben.
Die Fragmentierung von Lebensräumen lässt den Wildtieren nicht nur weniger Raum und Bewegungsfreiheit, sondern hat auch eine Reihe weiterer kurz- und langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit einzelner Arten und ganzer Ökosysteme.
Der Mensch stellt die Hauptursache für die Fragmentierung von Lebensräumen dar, doch auch einige natürliche Prozesse spielen eine Rolle. Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten, die Fragmentierung von Lebensräumen entgegenzuwirken und den betroffenen Arten zu helfen.
Was versteht man unter der Fragmentierung von Lebensräumen?
Lebensraumfragmentierung bedeutet also, dass ein zuvor geschlossener Lebensraum in einzelne Fragmente zerfällt, die nicht mehr miteinander verbunden sind. Ein leicht vorstellbares Beispiel ist ein Wald, der von einer Population von Braunbären bewohnt wird. Baut der Mensch durch diesen Wald eine Autobahn, wird der Lebensraum der Braunbären zerschnitten und zweigeteilt.
Häufig sind solche Verkehrslinien eingezäunt. Und selbst wenn die Bären dazu in der Lage wären, die Straße zu überqueren und die andere Hälfte ihres Lebensraums zu erreichen, würden sich die Tiere dabei in Gefahr begeben, da sie von einem Fahrzeug angefahren werden könnten. Auf diese Weise wird der Lebensraum fragmentiert. Das kann zur Folge haben, dass die Population der Braunbären ebenfalls geteilt wird oder aufgrund der neuen Bedrohung durch Verkehr zurückgeht.
Welche Ursachen gibt es für die Fragmentierung von Lebensräumen?
Viele der häufig auftretenden Ursachen für die Fragmentierung von Lebensräumen sind auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Der Bau von Straßen, Eisenbahnlinien, Pipelines, Häusern, Siedlungen und anderen Infrastrukturen kann die Wildnis in Stücke zerteilen. Menschliche Bauten z.B. können Wildtiere daran hindern, Teile ihres ursprünglichen Lebensraums zu erreichen und auch Ressourcen, wie Nahrung und Wasser, werden sowohl von Mensch als auch Tier gebraucht.
Andere menschliche Aktivitäten, die den Lebensraum von Wildtieren zerstören können, sind die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen, die kommerzielle Entwicklung und die Umleitung von Wasser, z.B. durch Dämme. So werden u.a. Süßwasserfische durch den Bau von Dämmen in Flüssen stark beeinträchtigt. Dämme können die Wanderrouten der Fische blockieren und dafür sorgen, dass es für sie unmöglich wird, Gebiete zu erreichen, in denen sie einst reichlich vorkamen.
Die Ursachen für die Fragmentierung von Lebensräumen sind jedoch nicht nur auf menschliche Aktivitäten beschränkt. Auch natürliche Prozesse wie Veränderungen eines Flusslaufs, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen und Flächenbrände können Lebensräume zerstückeln.
Auch die Klimakrise trägt zur Fragmentierung von Lebensräumen bei, da sich die Häufigkeit, Schwere und Unvorhersehbarkeit von Katastrophen wie Bränden, schweren Stürmen und Dürren erhöht. Mit der Verschärfung des menschengemachten Klimawandels wird auch die Fragmentierung von Lebensräumen zunehmen.
Was für Auswirkungen hat die Fragmentierung von Lebensräumen?
Einige Auswirkungen der Lebensraumfragmentierung auf Tiere sind unmittelbar, wie z. B. Verletzungen und Todesfälle durch Autounfälle. Manchmal dauert es aber auch etwas länger, bis sich die Auswirkungen der Lebensraumfragmentierung bemerkbar machen, wie z. B. das Verhungern durch den Verlust des Zugangs zu Nahrungsquellen, oder das Verdursten, wenn Tiere von ihren Wasserquellen abgeschnitten werden.
Die Fragmentierung von Lebensräumen kann auch dazu führen, dass die Tiere keinen Zugang zu ihren Brut- oder Nistgebieten haben, was zu einem drastischen Rückgang ihrer Populationen führen kann.
Auch Inzucht kann zu einem Problem werden, da die in fragmentierten Gebieten lebenden Tiere auf kleinere Teilpopulationen limitiert werden. Dies kann sich langfristig auf die Gesundheit der Population auswirken, da die genetische Vielfalt abnimmt und die Tiere dadurch anfälliger für Krankheiten werden und sich weniger gut an künftige Veränderungen anpassen können. Letztlich wird eine Art durch Inzucht vulnerabler.
Auch wandernde Arten haben mit der Fragmentierung ihres Lebensraums zu kämpfen. Sie haben unter Umständen Schwierigkeiten, Rast- und Futterplätze zu finden, die auf ihren langen Wanderrouten von entscheidender Bedeutung sind.
Die Fragmentierung von Lebensräumen kann sich auch auf Arten auswirken, deren Lebensräume nicht direkt betroffen sind, wenn die Fragmentierung die natürlichen Nahrungsketten unterbricht. Geht z.B. eine Braunbärenpopulation aufgrund einer Straße, die ihren Lebensraum teilt, zurück, werden die Lachse, die in einem nahe gelegenen Fluss schwimmen, nicht direkt von dieser Lebensraumfragmentierung betroffen sein. Aufgrund des Rückgangs der Braunbären, für die die Lachse eine Nahrungsquelle darstellen, kann es allerdings zu einer Überpopulation der Lachse kommen.
Darüber hinaus kann die Fragmentierung von Lebensräumen zu vermehrten Mensch-Wildtier-Konflikten führen. Werden Tiere in immer kleinere Lebensräume gedrängt, sind sie auf der Suche nach Nahrung und Wasser möglicherweise gezwungen, in menschliche Siedlungen vorzudringen. Dies kann zum Verlust von Ernte und Vieh führen und die Sicherheit von Menschen gefährden.
Der Randeffekt
Eine Folge der Lebensraumfragmentierung ist ein Phänomen, das als „Randeffekt“ (engl.: edge effect) bekannt ist. Die Ränder eines Lebensraums können sich drastisch von den tiefer im Inneren liegenden Teilen unterscheiden. So sind z.B. viele Waldtiere tiefer im Wald sicherer und können auf mehr Ressourcen zugreifen als in den äußeren Bereichen des Waldes. Auch die Pflanzenwelt unterscheidet sich zwischen dem Inneren und den Rändern eines Lebensraums. So gibt es z.B. an den Waldrändern oft mehr Pflanzen, die mehr Sonnenlicht benötigen und mehr Trockenheit vertragen. Dadurch ändert sich die Verfügbarkeit von Nahrungsquellen für Tiere in diesen Lebensräumen.
Wird ein Lebensraum fragmentiert, gibt es mehr Randbereiche. Werden die fragmentierten Gebiete immer kleiner, bleibt kaum noch Raum im Inneren übrig.
Wie kann man dazu beitragen, die Lebensraumfragmentierung zu verhindern und Lebensräume wieder zu vernetzen?
Es gibt einige Möglichkeiten, wie Sie heimischen Wildtieren mit fragmentierten Lebensräumen in Ihrem eigenen Garten oder Hinterhof helfen können.
- Nutzen Sie Bäume und Hecken zur Begrenzung Ihres Gartens. Diese natürlichen Grundstücksgrenzen können einheimischen Wildtieren helfen, sich zwischen fragmentierten Lebensräumen zu bewegen.
- Pflanzen Sie mehr einheimische Bäume, Wildblumen und Gräser. Einheimische und wandernde Tierarten werden sich über diese Ressourcen freuen.
- Legen Sie Wasserquellen für Tiere an. Etwas so Simples wie eine Schale oder eine Vogeltränke kann Tieren helfen, die Schwierigkeiten haben, natürliche Wasserquellen zu finden.
Sie können auch Initiativen zur Renaturierung und Einrichtung von Schutzgebieten unterstützen. Unter Renaturierung versteht man den Prozess, die Natur in einem Gebiet, das durch den Menschen geschädigt wurde, wiederherzustellen.
Welche Tiere sind von der Fragmentierung ihrer Lebensräume betroffen?
Zahllose Tierarten auf der ganzen Welt haben mit der Zerstückelung ihres Lebensraums zu kämpfen. Die in diesem Text genannten Arten sind nur einige Beispiele für Tiere, die heute von der Fragmentierung ihres Lebensraums betroffen sind.
Elefanten können als trauriges Musterbeispiel für die Fragmentierung von Lebensräumen dienen. Afrikanische Savannenelefanten haben in der Regel riesige Verbreitungsgebiete von vielen Tausend Quadratkilometern. Durch die Ausbreitung des Menschen sind ihre Territorien jedoch geschrumpft und voneinander getrennt worden. Dadurch, dass sich die Elefanten nur langsam vermehren, wird der Rückgang der Population weiter verschärft, wenn sie nicht in der Lage sind, ausreichende Ressourcen zu finden und sich zu paaren, wird der Rückgang der Populationen weiter verschärft.
Der IFAW arbeitet daran, dieses Problem zu lösen und die fragmentierten Lebensräume der Elefanten mithilfe unserer Initiative „Room to Roam“ wieder zu vernetzen. Ein Teil unseres Ansatzes besteht darin, mit lokalen Akteuren, die Land besitzen, und Gemeindemitgliedern zusammenzuarbeiten, um sichere Wege für Elefanten und andere Arten zu schaffen, damit diese sich in ihrem Verbreitungsgebiet frei bewegen können.
Asiatische Elefanten sind ebenfalls Opfer der Lebensraumfragmentierung, da der Mensch auch dort immer weiter in den Lebensraum der Tiere vordringt. Afrikanische Wildhunde sind besonders von Farmen und Weideflächen betroffen, die immer mehr Platz in ihrem Lebensraum einnehmen.
Auch Spitzmaulnashörner sind in Afrika von der Zerstückelung ihres Lebensraums durch Landwirtschaft, Plantagen, Bergbau und Tourismus betroffen. Spitzmaulnashörner sind territorial. Sind sie gezwungen, in unmittelbarer Nähe zueinander zu leben, kommt es zu Zusammenstößen und Kämpfen, geringerer Fortpflanzung und höheren Krankheitsraten.
In Nordamerika haben Urbanisierung, Landwirtschaft und industrielle Entwicklung den Lebensraum der Bisons fragmentiert. In weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets und auf ihren Wanderrouten wurde Grasland, das früher als Weidefläche diente, in Ackerland umgewandelt.
Die Tundra- und Waldlebensräume der Karibus werden durch Verkehrsinfrastrukturen, Energieanlagen, touristische Einrichtungen und die Forstwirtschaft zerstückelt. Werden Gruppen von Karibus voneinander getrennt, wird es für sie schwieriger, sich fortzupflanzen und in großen Herden zu wandern. Dies wirkt sich nicht nur auf die Karibus selbst aus, sondern aufgrund der veränderten Ernährungsgewohnheiten auch auf die Vegetation in ihren Ökosystemen.
Helfen Sie uns, die Fragmentierung von Lebensräumen zu bekämpfen und innovative Lösungen zu unterstützen, um die Lebensräume von Tieren wieder miteinander zu verbinden.
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