Wie der IFAW Kenias Elefanten eine neue Chance verschaffte
Wie der IFAW Kenias Elefanten eine neue Chance verschaffte
15 Juni 2023
Von Edward Indakwa, Umweltschützer und ehemaliger stellvertretender Chefredakteur bei der Standard Group in Kenia.
Eingebettet zwischen dem Amboseli-Nationalpark in Kenia und dem Kilimandscharo-Nationalpark in Tansania liegt der sogenannte Kitenden-Korridor. Dieses Land ist lebenswichtig für die Massai und die Elefanten, die sich das Gebiet teilen.
Aber durch vermehrt auftretende Dürren, intensivere Landwirtschaft, Verkauf von Land an Agrarkonzerne, eine zunehmende Bevölkerungsdichte und wachsende Viehbestände in der Region kommt es leider häufiger zu Mensch-Wildtier-Konflikten und zu Verlust von Lebensraum für Menschen und Wildtiere.
Kitenden ist eine wichtige Region, weil sie zum Verbreitungsgebiet der Amboseli-Elefanten zählt. Tagsüber halten sich die Elefanten überwiegend im Park auf, weil es dort Wasser gibt. Abends ziehen sie auf der Suche nach Futter und Lecksalz durch Kitenden. Das Gebiet ist auch eine Wanderroute für Elefanten und andere Wildtiere zu den größeren Ökosystemen der Nationalparks Tsavo und Kilimandscharo.
Deshalb hat der IFAW über ein Jahrzehnt lang mit der Massai-Gemeinde zusammengearbeitet, um Teile des Kitenden Gebietes in die sogenannte Kitenden Conservancy zu verwandeln, in der bestimmte Bereiche für Wildtiere geschützt sind und die Flächennutzung durch die örtlichen Gemeinden gut geregelt ist.
Dies ist die Geschichte einer ehrgeizigen Initiative des IFAW, die zu einem Leuchtturmprojekt für die Sicherung von wichtigem Lebensraum durch die Pachtung von Gemeindeland wurde.
Eine Krise für die Elefanten in Amboseli zeichnet sich ab
Der Amboseli-Nationalpark liegt knapp 200 Kilometer südlich von Nairobi und ist Teil eines riesigen, grenzüberschreitenden Wildtier-Ökosystems. Hier leben mehr als 1.800 Elefanten und andere Vertreter der Megafauna in den staubigen Schatten des Kilimandscharo. Amboseli ist ein UNESCO-Biosphärenreservat und der einzige Nationalpark in Kenia, der durch Verhandlungen mit kommunalen Landeigentümern entstanden ist.
Die Elefanten des Parks haben sich in diesem relativ kleinen, halbtrockenen Lebensraum gut entwickelt. Neben Wasser aus saisonalen Sümpfen bietet das Gebiet auch sichere und geschützte Weideflächen für die Wildtiere.
Als der IFAW 2012 die Arbeit in der Kitenden Region aufnahm, hatten Landnutzungsänderungen und der Klimawandel bereits ihren Tribut gefordert. Es zeichnete sich eine Krise für den Amboseli Nationalpark und seinen empfindlichen Lebensraum ab.
Julius Cheptei, pensionierter stellvertretender Direktor des Kenya Wildlife Service, war zu dieser Zeit Chief Warden in Amboseli. „Nur knapp 10 Prozent des Amboseli-Nationalparks sind für den Arten- und Naturschutz nutzbar. Die Elefantenpopulation des Parks kann ohne die um den Nationalpark liegenden Gebiete und Wanderkorridore nicht überleben – vor allem, weil es wegen des Klimawandels immer häufiger zu längeren Dürreperioden kommt“, sagt Cheptei.
Das Problem mit dem Ackerland um Amboseli
Der Amboseli-Nationalpark ist vom Gebiet der sogenannten Olgulului Ololarashi Group Ranch (OOGR) umgeben, die sich im Besitz der lokalen Massai-Gemeinde befindet. Die Gemeinde teilte das Land in vier Hektar große Parzellen auf und gab den Eigentümern individuelle Titel, die sie dazu berechtigten, ihr Land an landwirtschaftliche Investoren zu verkaufen oder zu verpachten. Wichtige Elefantenlebensräume und Wanderkorridore waren als Nutzflächen begehrt: über 800 Hektar waren bereits vergeben.
Allerdings hören Elefanten nicht einfach auf zu wandern, nur weil sich ihr Lebensraum in Ackerland verwandelt. Die Folge ist eher, dass die Elefanten in die landwirtschaftlichen Nutzflächen eindringen, Ernten vernichten oder sogar Schäden an Häusern und Ställen verursachen. Das kann die Lebensgrundlage und sogar die Leben vieler Menschen gefährden. Vergeltungsmaßnahmen gegen die Elefanten sind dann immer wieder die Folge.
„Eine ökologische Katastrophe stand unmittelbar bevor“, sagt Amboseli-Projektmanager Evan Mkala.
Glücklicherweise verstand uns die Führung der Olgulului Ololarashi Group Ranch, als wir unsere Sorge zum Ausdruck brachten, dass die Landwirtschaft, auch wenn sie auf den ersten Blick betrachtet besser bezahlt zu sein scheint, nur kurzfristige Gewinne verspricht“, fährt Evan Mkala fort.
„Die Amboseli-Böden sind locker, vulkanisch und waschen schnell aus. Landwirtschaftliche Investoren aus den Städten hätten die Böden maximal belastet und wären weitergezogen, wenn die Erträge sinken. Die Landeigentümer hätten mit leeren Händen dagestanden.“
Eine Lösung finden
Der IFAW schlug eine Alternative vor: die Verpachtung des Landes für den Arten- und Naturschutz.
Die Arbeit des IFAW zielt darauf ab, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und gleichzeitig in die Infrastruktur zu investieren, um Kitenden zu einem vollständig in Gemeindebesitz befindlichen und verwalteten Wildtierreservat zu machen.
Der Pachtvertrag verspricht den Landbesitzern langfristig Einnahmen aus dem Tourismus und sichert Kitenden als offenen und sicheren Raum für Elefanten und andere Wildtiere.
Aber würden die Landeigentümer dies annehmen?
Julius Cheptei berichtet, dass es schwierige Verhandlungen waren. „Als ich als Senior Warden nach Amboseli kam, bemerkte ich sofort die Spannungen zwischen meinem Team und der Gemeinde. Die Massai waren wütend und frustriert wegen der Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren. Diese Abneigung machte es meinem Team schwer, mit der Gemeinde enger in Kontakt zu treten oder mit ihr zu verhandeln.“
Intensive Diskussionen mit Vertretern der Group Ranch – von der Führung bis zu den einzelnen Mitgliedern – und ein Projekt zur Veranschaulichung des Potenzials des Pachtprogramms brachten schließlich den Erfolg.
Das Projekt sah die Sanierung einer baufälligen, 50 Jahre alten Wasserleitung vor, die von den Tiefen des Amboseli-Parks bis zum Gebiet der Group Ranch führte.
„Als Anreiz für die Umwandlung von Amboseli von einem gemeindeeigenen Reservat, in dem die Massai ihr Vieh weiden und tränken konnten, in einen geschützten Nationalpark wurde 1974 eine 90 Kilometer lange Pipeline gebaut, um Wasser aus den Quellen im Park zu pumpen, das die Gemeinde im Gebiet der Group Ranch nutzen konnte“, erklärt Projektmanager Evan Mkala. „Aber der Zustand der Pipeline verschlechterte sich im Laufe der Zeit, und der Wassermangel belastete Menschen und Tiere.“
Der IFAW erklärte sich dazu bereit, die Pipeline zu sanieren, und gewann damit das Vertrauen der Gemeinde.
Landpacht für eine bessere Zukunft
Ein Jahr lang folgten intensive Gespräche zwischen dem IFAW und der Leitung der Group Ranch sowie den acht Clans der Gemeinde. Schließlich trafen sich etwa 9.000 Landbesitzer auf einer zur Vorstellung des fünfjährigen Pachtvertrags mit dem IFAW anberaumten Jahreshauptversammlung. Knapp 1.600 Mitglieder der Gruppenranch unterschrieben. Bei der Verlängerung des Pachtvertrags im Jahr 2017 unterschrieben weitere tausend Mitglieder.
Gemeinsam sicherten sie 10.500 Hektar für den Arten- und Naturschutz.
Der Pachtvertrag in Höhe von jährlich 1,2 Millionen US-Dollar beinhaltete Stipendien für begabte Studenten aus der Gemeinschaft, einen Flächennutzungs- und Managementplan, Projekte zur Sicherung des Lebensunterhalts für Frauen und die Beschäftigung von Rangern und Rangerinnen aus den Reihen der Massai – dazu zählt auch das Team Lioness, das zu den weltweit ersten ausschließlich mit Frauen besetzten Rangerteams zählt.
Der IFAW arbeitet zudem mit der staatlichen Naturschutzbehörde Kenya Wildlife Service zusammen, um die erforderliche Infrastruktur für den Schutz und die Sicherheit der Wildtiere im Park zu schaffen.
Resilienz in der Gemeinde aufbauen
Gemeinsam mit einer Bank vor Ort kümmerte sich der IFAW darum, dass die Landeigentümer Konten eröffneten, damit sie ohne Vermittler auf ihr Pachtgeld zugreifen können.
Wir richteten auch eine Verwaltungsstruktur ein und schulten gewählte Gemeindevertreter, die das Schutzgebiet unter der Leitung eines Trägervereins verwalten.
Bernard Tulito, der in Amboseli geboren und aufgewachsen und seit 2012 der Verbindungsmann des IFAW für das Amboseli-Projekt ist, hat ein Diplom in Wildtierschutz und -management im Rahmen eines IFAW-Stipendiums erworben. Er sagt, dass 90 Prozent der ersten Stipendiaten einen Arbeitsplatz gefunden haben und dass dies, zusammen mit den Projekten zur Sicherung des Lebensunterhalts, die Gemeinde resilienter gegen Dürren macht.
Das Kitenden-Projekt des IFAW – ein Vorbild für den Arten- und Naturschutz?
Einbindung der Menschen vor Ort in Arten- und Naturschutzprojekte gilt.
„Die Olgulului Ololarashi Group Ranch ist etwa viermal so groß wie der Amboseli-Nationalpark“, sagt Julius Cheptei. „Kitenden zeigt, dass wir aus der Group Ranch vier gemeindeeigene ‚Amboseli-Nationalparks‘ machen können, die Eintrittsgelder von 40 US-Dollar je Besucher erlösen und andere Vorteile wie Stipendien und Projekte zur Verbesserung des Lebensunterhalts für die Gemeinde erbringen.“
Evan Mkala ist davon überzeugt, dass der Pachtvertrag für Kitenden einen Wendepunkt darstellt, weil er beweist, dass die Aufteilung von Gemeindeland in der Nähe von Nationalparks sehr vorteilhaft sein kann. Individueller Landbesitz wird in gemeinschaftliche Wildtierreservate umgewandelt, die jedem Eigentümer eine Mitverantwortung für das Management des beheimateten Ökosystems geben.
Der vielleicht beste Beweis für die Nachhaltigkeit des Projekts ist, dass tausende weitere Landeigentümer den Pachtvertrag 2021 unterzeichneten, wodurch das gesamte Schutzgebiet auf über 22.000 Hektar anwuchs.
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