Konflikte zwischen Menschen und Elefanten: Was ist gemeint und warum ist es so wichtig, hier zu handeln?
Konflikte zwischen Menschen und Elefanten: Was ist gemeint und warum ist es so wichtig, hier zu handeln?
20 Juli 2023
Die weltweit größten Landsäugetiere, die Afrikanischen Elefanten, sind vielen Bedrohungen ausgesetzt. Doch auch die Menschen vor Ort, die sich mit ihnen den Lebensraum teilen, sind ihrerseits Gefahren ausgesetzt.
Wie äußern sich Konflikte zwischen Menschen und Elefanten?
„Konflikte zwischen Menschen und Elefanten“ beschreibt negative Wechselwirkungen zwischen Elefanten und Menschen. Die häufigsten Formen sind die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen und Ernten, die Zerstörung von Eigentum durch Elefanten oder wenn Menschen den Elefanten zu nahe kommen und ein Abwehrverhalten auslösen, das zu Verletzungen oder zum Tod von Mensch und/oder Elefant führen kann.
Zwar schließt der Ausdruck normalerweise Wildtierkriminalität wie Wilderei und den Handel mit Körperteilen von Elefanten nicht ein, allerdings könnten Menschen, die sich von Elefanten bedroht fühlen, eher dazu geneigt sein, solche Straftaten bewusst zu dulden oder sich sogar an ihnen zu beteiligen.
Diese Konflikte gefährden nicht nur die Sicherheit der Menschen und das Überleben der Elefanten. Sie bedrohen zudem die Gesundheit der Ökosysteme und die traditionelle Lebensweise ländlicher Gemeinden.
Wodurch entstehen Konflikte zwischen Menschen und Elefanten?
Seit Jahrtausenden leben Menschen und Elefanten im selben Lebensraum. Allerdings veränderten sich Grenzen, Siedlungsentwicklungen, das Klima und der Zugang zu natürlichen Ressourcen, was bei Menschen und Wildtieren zu Konkurrenz und Konflikten führen kann.
Elefanten sind große Pflanzenfresser, die täglich bis zu 150 Kilogramm Futter und 190 Liter Wasser zu sich nehmen. Sie müssen große Entfernungen zurücklegen, um genügend Futter und Wasser zum Überleben zu finden. Aber ihr Lebensraum verändert sich aufgrund der wachsenden menschlichen Bedürfnisse und des sich wandelnden Klimas.
Etwa 1,2 Mrd. Menschen weltweit leben von weniger als USD$1.25 (ca. 1,14 Euro) pro Tag. Viele von ihnen leben in Verbreitungsgebieten der Elefanten. Als Teil der weltweit am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen konkurrieren sie häufig mit Wildtieren um Lebensraum, Nahrung, Wasser und andere natürliche Ressourcen. Zudem ist ihnen oftmals nicht bewusst, wie sehr sie in den Lebensraum von Elefanten und anderen Wildtieren eingreifen.
Gleichzeitig wird der Lebensraum der Elefanten durch neue Dörfer, Farmen, Städte, Autobahnen oder industrielles Wachstum, z.B. für Bergbau, immer stärker fragmentiert. Hindernisse wie Zäune und Bahngleise zwingen die Elefanten, größere Entfernungen zurückzulegen und Verletzungen zu riskieren. Ihre einstigen Nahrungsgründe werden nun von Menschen bewirtschaftet, und an ihren Wasserstellen treffen sie immer häufiger auf die Bevölkerung vor Ort.
Da die Temperaturen durch den Klimawandel steigen und Niederschlagsmuster sich ändern, werden benötigte Ressourcen immer knapper. So sind die Elefanten gezwungen, in neue Bereiche und Siedlungsgebiete auszuweichen. Auch Menschen begeben sich in Gefahr, da sie auf der Suche nach Wasser oder Feuerholz immer weiter in Elefantengebiet eindringen müssen. Der Kampf um Ressourcen ist hart und lebensbedrohlich - für Menschen und Wildtiere.
An einigen Orten führen erfolgreiche Naturschutzmaßnahmen, die sich auf Strafverfolgungsmaßnahmen konzentrieren, zu wachsenden Elefantenpopulationen. Dies erfordert im Gegenzug ein angemessenes Management der Gebiete.
Wie schaden Mensch-Wildtierkonflikte Elefanten?
Alle drei verbleibenden Elefantenarten sind auf der Roten Liste bedrohter Arten der Weltnaturschutzunion IUCN gelistet. Der Afrikanische Waldelefant ist vom Aussterben bedroht, und der Afrikanische Savannenelefant sowie der Asiatische Elefant sind als stark gefährdet gelistet.
Noch beunruhigender ist, dass die Bestände aller drei global gesehen abnehmen.
Aus Sri Lanka wird berichtet, dass jährlich etwa 200 Elefanten bei Konflikten mit Menschen getötet werden, während in Indien jährlich etwa 100 Elefanten Konflikten mit Menschen zum Opfer fallen. Wildtierbehörden in Kenia berichten, dass sie jährlich bis zu 120 Elefanten aufgrund von Konflikten mit Menschen töten müssen.
Weibliche Afrikanische Elefanten gebären ihr erstes Junges im Durchschnitt erst im Alter von etwa 10 bis 12 Jahren und Asiatische Elefanten sogar noch etwas später. Aufgrund dieser langen Generationsdauer kann es Jahrzehnte dauern, bis Elefantenfamilien sich vom frühzeitigen Tod von Herdenmitgliedern erholen. Und wenn erwachsene Elefantenkühe getötet werden, hinterlassen sie oftmals ein hilfloses Kalb, das ums Überleben kämpfen muss. Jeder Tod eines Elefanten bringt die Art näher an den Punkt, an dem sie sich nicht erholen kann.
Die größten Elefantenbullen wiegen bis zu 6,8 Tonnen. Somit sind sie in etwa einhundert Mal schwerer als ein erwachsener Mensch. Wenn Elefanten sich bedroht fühlen oder auf ihrem Weg zu Futter- und Wasserquellen auf Hindernisse stoßen, können sie Menschen verletzen oder sogar töten und deren Häuser und Ernte zerstören.
In Indien sterben jährlich etwa 400 Menschen an den Folgen von Konflikten mit Elefanten. In Kenia starben zwischen 2010 und 2017 etwa 200 Menschen in Folge von Konflikten mit Elefanten.
Viele Menschen, die in einem Verbreitungsgebiet der Elefanten leben, stehen bereits aus anderen Gründen großen Herausforderungen gegenüber. Es können z.B. Flüchtlinge oder Migranten ein, die auf der Suche nach Sicherheit oder besseren Lebensbedingungen ihre Heimat verlassen haben, nur um festzustellen, dass sie sich nun in einem von Elefanten beheimateten Gebiet befinden, wo sie erneut Gefahren ausgesetzt sind.
Abgesehen vom tragischen Verlust von Menschenleben können Elefanten enorme Schäden an Häusern, Gemeindegebäuden (wie z.B. Schulen) und Ackerflächen verursachen. Allein in Indien hatten etwa 500.000 Familien jährlich Ernteausfälle aufgrund von Elefanten, womit deren Lebensgrundlage, Gesundheit und Nahrung gefährdet wird.
Was unternimmt der IFAW, um Konflikte zwischen Menschen und Elefanten vorzubeugen?
Die Ursachen der Konflikte sind ebenso komplex wie unsere Lösungen. Wir kooperieren mit Gemeinden vor Ort, um Konflikte zu lösen und eine möglichst friedvolle Koexistenz zu schaffen.
Mit unserer Initiative Room to Roam in Afrika sorgen wir dafür, dass Elefanten sich innerhalb wissenschaftlich bestimmter Kernlebensräume fernab von Menschen frei bewegen können. Unser Ziel ist die Sicherung und Vernetzung von Lebensräumen in 12 wichtigen Landschaften im östlichen und südlichen Afrika, in denen bis 2040 mehr als 330.000 Elefanten frei umherstreifen können. Damit tragen wir zu einer größeren Artenvielfalt und zur Stärkung der natürlichen Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel bei und schaffen eine Zukunft, in der Wildtiere und Menschen nebeneinander existieren können.
Im Grunde basiert Room to Roam auf dem Verständnis, dass Arten- und Naturschutz nur durch die Beteiligung der Bevölkerung vor Ort erfolgreich sein kann. Wenn Gemeinden in die Verwaltung der natürlichen Ressourcen vor Ort einbezogen werden, wirkt sich dies positiv auf Ökosysteme und ihre eigenen Lebensgrundlagen aus. Wenn Familien über ein solides Einkommen und nachhaltige Einkommensquellen verfügen, können sie finanzielle Einbrüche wie den Verlust ihrer Ernte schneller überwinden. Deshalb arbeiten wir mit den Gemeinden zusammen, die sich den Lebensraum mit den Elefanten teilen, um ihre Lebensgrundlagen zu verbessern und ihr Engagement für den Arten- und Naturschutz zu stärken.
So gründeten wir im Amboseli Nationalpark in Kenia mit dem Team Lioness, die erste nur aus Frauen bestehende Ranger-Einheit in Ostafrika. Die Frauen aus Massai-Gemeinden trotzen den sozialen Normen und es bietet Frauen neue Möglichkeiten, um sich zu verwirklichen. Unser Jenga Mama-Projekt, welches von der Margarete-Breuer Stiftung (MBS) mitentwickelt und finanziert wird, unterstützt 60 Frauen aus den Gemeinden in Amboseli dabei, Berufe zu erlernen und Kleinstunternehmen zu gründen, um nachhaltige Einkommensquellen für ihre Familien und Gemeinden zu schaffen. In Simbabwe unterstützen wir ZimParks bei der Durchführung eines „Junior Ranger“-Programms für Kinder, um diese als Führsprecher für den Arten- und Naturschutz auf Gemeindeland am Rande des Hwange Nationalparks zu schulen. Um tödliche Begegnungen mit Wildtieren in Malawi zu vermeiden, verlegten wir eine Wasserleitung für Wasser zur Bewässerung und für den alltäglichen Gebrauch vom Shire-Fluss bis in die Dörfer außerhalb des Liwonde Nationalparks.
In China starteten wir im Jahr 2000 das Projekt zum Schutz Asiatischer Elefanten, welches die letzten drei verbleibenden Lebensräume Asiatischer Elefanten Xishuangbanna, Pu’er und Lincang in der Provinz Yunnan einschließt. In Xishuangbanna, Heimat der meisten der etwa 300 verbleibenden in der Wildnis lebenden Asiatischen Elefanten in China, bildeten wir Rangerteams aus, die in den Dörfern für Sicherheit sorgen und die Gemeinden im Umgang mit wild lebenden Elefanten schulen. In der Pu’er-Region stellten wir Mikrokredite für mehr als 210 Haushalte in sieben Dörfern bereit, wodurch diese ihr jährliches Einkommen um durchschnittlich 35 Prozent steigern konnten. Zudem führten wir in Yunnan das erste Frühwarnsystem auf Gemeindeebene ein, an das mehr als 60 Dörfer in von Elefanten beheimateten Gebieten angeschlossen sind.
In Indien arbeiten der IFAW und unser Partner WTI eng mit der örtlichen „Bodoland Territorial Council“ (BTC), der Forstbehörde in Assam, mit Dorfbewohnern und mit örtlichen gemeindebasierten Organisationen des Greater Manas-Gebietes in Assam (Indien) zusammen. Zwischen 2009 und 2021 unterstützten wir mehr als 30 Familien der Opfer von Konflikten zwischen Menschen und Elefanten. Zusammen mit der Forstbehörde gründeten wir 28 Eco-Development-Committees (EDC) und erstellten mit deren Mitgliedern Pläne mit Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Verminderung von Konflikten zwischen Menschen und Elefanten. Wir unterstützen stark vom Waldökosystem abhängige Haushalte, damit diese weniger auf das Sammeln von Feuerholz und anderen Produkten im Nationalpark angewiesen sind. Zudem ermöglichten wir mehr als 100 Familien Zugang zu umweltfreundlicheren Energiequellen zum Kochen.
Von 2016 bis 2021 spielte der IFAW und WTI eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung von 77.200 Hektar reservierter Waldgebiete in ein Schutzgebietsnetz. So wurde deren Schutz und ökologische Integrität gewährleistet und ein sicherer Lebensraum für Wildtiere geschaffen. Der Ansatz der Verwaltung der Gebiete beinhaltet den Einbezug der lokalen Gemeinden des Greater Manas-Gebietes. Dank der Einführung mehrerer Arten- und Naturschutzprogramme zusammen mit der Forstbehörde und BTC konnten wir einen großen Lebensraum für Asiatische Elefanten in Assam sichern, um eine friedvolle Koexistenz in einem von Menschen dominierten Gebiet zu fördern.
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