Neil Greenwood
Brände in Brasilien: Ein Weckruf! Klimakrise und Zerstörung der Natur stoppen
Brände in Brasilien: Ein Weckruf! Klimakrise und Zerstörung der Natur stoppen
Allein in diesem Jahr sind mehr als 760.000 Hektar Land im Amazonasgebiet und 1,3 Millionen Hektar in der Pantanalregion abgebrannt. Seit Herbst 2023 haben verheerende Brände im Regenwald des Amazonas und in den Feuchtgebieten des Pantanal verheerende Schäden angerichtet.
Das Amazonasgebiet, das mehr als die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten der Welt beheimatet, wird oft als die grüne Lunge des Planeten bezeichnet - monatelang erstickt sie nun an Rauch. Im September und Oktober wies Manaus, die Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, weltweit eine der höchsten Luftverschmutzungs-Werte auf.
Die jährliche Brandsaison im Pantanal endete normalerweise im Oktober. Doch aufgrund der durch den Klimawandel mit verursachten Extremen brennt es nun bis weit in die normal erwartete Regenzeit hinein. Dank des durch den Klimawandel verursachten Extreme haben sich die Brände bis weit in die normale Regenzeit hinein ausgedehnt.
Das Ausmaß der Zerstörungen durch Brände allein im Juni 2024 fielen um 70% höher aus, verglichen mit den rekordverdächtigen Bränden im Juni 2023. Der Juni 2024 war der trockenste, heißeste und windigste Juni im brasilianischen Pantanal seit Beginn der Aufzeichnungen. Wenn die globale Temperatur dauerhaft 1,2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen würde, müssen wir davon ausgehen, dass solche Bedingungen alle 35 Jahre auftreten werden. Der von Menschen verursachte Klimawandel macht Brandwetter, das bedeutet lange Perioden trockener Luft, hoher Temperaturen und heftiger Winde, vier- bis fünfmal wahrscheinlicher und die Brände etwa 40% intensiver . Wenn sich die globale Erwärmung weiter verschärft, werden solche Bedingungen noch häufiger auftreten.
Tödliche Hitze
Brasilien stellt auch andere beunruhigende Rekorde auf. Am 19. November verzeichnete das Land die heißeste Temperatur, die vor Ort je gemessen wurde: 44,8 Grad Celsius. Vom 22. bis 25. August erlebten über 60 Millionen Menschen in Brasilien Temperaturen von bis zu 39 Grad Celsius; das sind sieben Grad Celsius mehr als die üblichen Temperaturen für diese Jahreszeit.
Hitzewellen allein reichen oft schon aus, um Tiere in Gefahr zu bringen. Sie werden lethargisch und fressen nicht, was sich auf ihren allgemeinen Gesundheitszustand und ihre Fähigkeit, vor Bränden zu fliehen, auswirkt. Hitze und Trockenheit tragen auch zu ungewöhnlich niedrigen Wasserständen und hohen Temperaturen in Flüssen und Seen bei, was im Oktober letzten Jahres tragischerweise zu einem Massensterben der gefährdeten Amazonasdelfine und Amazonas-Sotali im Tefé-See führte.
Die Probleme bei diesen extremen Wetterereignissen sind nicht nur die akuten wie die vorherrschende Hitze, die Flammen und der Rauch, sondern auch Folgeerscheinungen wie der Verlust von Lebensraum, verschmutzte Wasserquellen, das Sterben von Beutetieren oder Vegetation, auf die Tiere angewiesen sind. Auch die nahen menschlichen Siedlungen, in die die Tiere fliehen stellen Bedrohungen für Wildtiere da, selbst wenn diese sich vor den akuten Katastrophen zunächst retten konnten.
Die meisten Brände entstehen nicht auf natürliche Weise, sondern werden von Menschen gelegt, die versuchen, Land für die Viehzucht oder den Ackerbau zu roden. Wenn diese Brände mit den unvorhersehbaren Wettermustern kombiniert werden, die wir aufgrund der Klimakrise erleben - insbesondere große Hitze, geringe Niederschläge und starke Winde -, verschlingen sie so schnell eine enorme Menge an Land. Die wertvollsten natürlichen Ressourcen werden verwüstet.
Die als Folge der Brände entstandene Verschmutzung ist zudem für Tiere und Menschen tödlich. Am 20. August erreichte die Konzentration des krebserregenden Mikropartikels PM2,5 Werte, die elfmal höher waren als die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation ist. Bei den Menschen in der Region sind vermehrt Fälle von Asthma, Lungen- und Nasennebenhöhlenentzündungen aufgetreten. Schlechte Luftqualität wirkt sich dementsprechend auch auf die Tierwelt aus.
Wir stehen an einem Wendepunkt, an dem die Arten entweder neue - weniger überlebensfreundliche - Gebiete finden oder aussterben, mit der Folge, dass die Ökosysteme zusammenbrechen werden.
Was wir von zwei geretteten Ameisenbären gelernt haben
Obwohl die diesjährigen Brände schreckliche Ausmaße hatten, sind sie kein Einzelfall. Im Jahr 2020 brannten 30% (ca. 4,5 Millionen Hektar) des Pantanals nieder. Millionen von Tieren starben. Auch Brasiliens ikonische Große Ameisenbären waren stark betroffen.
Nach den Bränden unterstützten wir das Tamandua Institute bei der Einrichtung des Projekts „Orphans of Fire“ (Deutsch: Waisen des Feuers) und der Rettung von sechs jungen Ameisenbären, deren Mütter bei den Bränden ums Leben gekommen waren. Das Team hat nun zwei dieser Jungtiere wieder in die freie Wildbahn entlassen. Sie wurden mit GPS-Trackern ausgestattet, damit wir mehr über ihr Verhalten, aber auch die Herausforderungen erfahren können, denen sie in der Wildnis ausgesetzt sind.
Die Überwachung nach der Auswilderung (auch Telemetrie genannt) ist eine regelmäßige Praxis, die der IFAW bei rehabilitierten Tieren auf der ganzen Welt durchführt, z. B. bei Elefanten in Simbabwe und Greifvögeln in China. Es ist wichtig, zu verstehen, in welchen Gebieten sich die Tiere aufhalten, um diese mit unserer Arbeit - politisch als auch aktiv vor Ort - besser zu schützen.
Unsere Erfahrung mit der Freilassung von Tupã und Venus, den zwei rehabilitierten Ameisenbären, zeigt genau, warum diese Art der Forschung so wichtig ist.
Tupã verließ die Sicherheit seines Geheges im Jahr 2021 als jüngster bekannter Großer Ameisenbär, der nach seiner Rehabilitierung wieder in die freie Wildbahn entlassen wurde. Er war in einem halbgeschlossenen Gehege untergebracht, damit er seine Umgebung sicher erkunden und verlassen konnte, wenn er sich bereit fühlte. Als er sich schließlich hinauswagte, befand er sich oft in Interaktion mit einem Gürteltier.
In den drei Jahren, die seitdem vergangen sind, hat er sich in Freiheit gut entwickelt.
Warum die Zusammenarbeit mit Gemeinden so wichtig ist
Der andere freigelassene Ameisenbär, Venus, wurde leider zu einer deutlichen Erinnerung daran, dass wir Wildtiere nicht in unberührte Umgebungen ohne Gefahren entlassen; jedes Tier, das wir freilassen, hat sich nach wie vor auch anderen Bedrohungen zu stellen. Venus ging es eine Zeit lang unglaublich gut, doch dann zeigte ihr GPS, dass sie sich ungewöhnlich lange nicht mehr bewegt hatte. Sie wurde tot auf einer Ranch gefunden.
Wir glauben nicht, dass es eine böswillige Tötung war. Ihr Körper war unversehrt, also wurde sie nicht wegen ihrer Haare, ihres Fells oder ihres Fleisches getötet - obwohl Ameisenbären manchmal wegen ihrer Krallen, zum Essen oder um ihre Haut zu Reitsportgeräten zu verarbeiten, gejagt werden.
Wir glauben, dass ihr Tod auf einen Mensch-Wildtier-Konflikt zurückzuführen ist. Große Ameisenbären sind große Tiere mit großen Krallen. Sie gehen Menschen und Konflikten in der Regel aus dem Weg, können aber einen furchterregenden Eindruck bieten, wenn sie in die Enge getrieben werden. Wenn man das einmal gesehen hat, kann man verstehen, warum jemand sie als Bedrohung empfindet.
Venus‘ Schicksal ist ein Symbol für die Bedrohungen, denen Ameisenbären tagtäglich ausgesetzt sind. Ihr Tod macht deutlich, warum wir die Menschen vermehrt aufklären müssen. Aufklärungsarbeit ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.
Wir sind alle Teil eines komplexen Systems
All diese Probleme sind miteinander verwoben. Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren werden durch den Verlust von Lebensraum verschärft. Je mehr Land verbrannt, von Wald in Savanne umgewandelt oder durch die Auswirkungen des Klimawandels zerstört wird, desto mehr Wildtiere suchen ihr Heil in dichter besiedelten Gebieten.
Oft sind es die ärmsten Gemeinden, die am nächsten zu den Grenzen von Schutzgebieten und anderer unberührten Natur leben, die am stärksten betroffen sind. Sie versuchen einfach zu überleben. Wir vom IFAW sind der Ansicht, dass die Zusammenarbeit mit diesen Gemeinden für den Naturschutz unverzichtbar ist. Wir können die in ihrer Umgebung lebenden Wildtiere nicht vollständig schützen, wenn wir uns nicht fragen, wie wir den Menschen vor Ort helfen und Alternativen zum Überleben bieten können.
Viele Menschen leben immer mehr in Distanz zur Wildnis und Tierwelt. Sie haben aufgehört, sich als Teil des Ganzen zu sehen. Als Teil des Ökosystems von dem unser aller Überleben abhängt. Die Pandemien, die wir in letzter Zeit erlebt haben - und die wahrscheinlich noch häufiger auftreten werden - sind ein Beispiel für den Niedergang unserer Ökosysteme. Ein gesundes System ist besser gerüstet.
Wildtiere sind ein wichtiger Bestandteil der Ökosysteme. Unsere Lebensräume sind in hohem Maße von Tieren abhängig, die diese Umgebungen gestalten, z. B. durch die Verbreitung von Samen. Pflanzen können ohne Tiere nicht existieren und umgekehrt - also können auch wir ohne sie nicht existieren. Wildtiere spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Kohlenstoffbindung, d. h. der Aufnahme und Speicherung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre, was die Klimakrise abschwächt.
Die Natur kann uns dabei helfen, die Schäden, die wir auslösen, abzumildern. Wir müssen nur mit ihr Zusammenarbeiten.
Die Rettung von Wildtieren ist ein wichtiger Teil der Lösung
Wäre der Klimawandel das Einzige, was die Tiere bedroht, wäre die Situation schon ernst genug. Aber sie werden von mehreren Seiten attackiert, und deshalb verfolgt der IFAW einen mehrgleisigen Ansatz für ihren Schutz.
Wie Venus, der Große Ameisenbär, beweist, nützt es nichts, Wildtiere zu retten, wenn man keinen vor den Menschen sicheren Lebensraum hat, in dem sie zurückkehren können. Deshalb setzen wir uns in Zusammenarbeit mit Gemeinden und Behörden dafür ein, Lebensräume zu erhalten und zu schützen.
Wir brauchen Gesetze und Vereinbarungen, um Landschaften zu schützen und die Folgen der Klimakrise abzumildern. Aber bürokratische Prozesse brauchen Zeit, die einige Arten nicht mehr haben. In der Zwischenzeit verlieren wir Tiere. Unsere Rettungsteams versuchen, den Schaden zu begrenzen, während die Gesetze und Vereinbarungen ausgearbeitet werden.
Die Rettung von Wildtieren wird immer wichtig sein, aber wir müssen auch aufwachen und erkennen, welchen Schaden wir den Lebensräumen der Wildtiere zufügen – ihrem und unserem eigenen Zuhause. Wir müssen dringend die empfindlichsten und wertvollsten Ökosysteme unseres Planeten und die dort lebenden Lebewesen schützen. Sie sind es schließlich, die daran arbeiten, uns zu schützen.
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