Die Entschlossenheit einer Frau, die aus der Ukraine geflohen und ihre Haustiere gerettet hat
Die Entschlossenheit einer Frau, die aus der Ukraine geflohen und ihre Haustiere gerettet hat
6 April 2022
Als sich die 31-jährige Alina Beskrovna hinsetzt, um ihre Geschichte zu erzählen, stellt sie fest, dass sie auf einem Ohr taub ist, wohl eine Folge der ständigen Bombardierungen, die sie ertragen musste.
„Ich weiß nicht, welches Datum wir haben", sagt Alina. „Ich bin seit fünf Wochen von der Welt abgeschnitten."
Erst vor wenigen Tagen konnten Alina, ihre Mutter und ihre drei Katzen aus Mariupol, einer ukrainischen Hafenstadt zwischen der Krim und dem Donbas, fliehen. Ihr Vater, der zum Zeitpunkt des ersten Angriffs in einem nahe gelegenen Viertel lebte, wird weiterhin vermisst.
Bis zur russischen Invasion am 24. Februar war Mariupol eine belebte Stadt mit 450.000 Einwohnern, die stolz darauf waren, diese ihr Zuhause nennen zu können. Jetzt ist nur noch die Erinnerung ans unbeschwerte Leben übrig.
Hunderte von russischen Truppen umzingeln derzeit Mariupol. 300.000 Zivilisten sind in der Stadt eingeschlossen und können den unaufhörlichen Angriffen nicht entkommen. Familien, Kinder und ältere Menschen suchen Schutz in Kellern ohne Strom, Gas, Wi-Fi oder Mobiltelefone. Wie Alina beschreibt, ist die Stadt zu einem Todesloch geworden.
Alina wurde klar: „Ich muss meine Familie aus dieser Hölle herausholen."
[Englisch] Alinas Geschichte
Alina und ihre Mutter hörten, dass ein Funken Hoffnung für diejenigen bestand, die es durch die 16 russischen Kontrollpunkte auf dem Weg nach Saporischschja schafften. Sie machten sich direkt auf den Weg. Fünf Tage lang wanderten die Frauen in Richtung des Grenzübergangs bei Medyka zwischen der Ukraine und Polen, wobei sie die drei Katzen mit sich trugen und bei jedem Schritt beteten, dass sie einen weiteren Tag überleben würden. An jedem Kontrollpunkt mussten Alina und ihre Mutter das gleiche Szenario über sich ergehen lassen. Die Streitkräfte richteten ihre Gewehre auf die Frauen, verhörten sie und es gab eine Leibesvisitation. In den Augen der Streitkräfte stellte jeder eine potenzielle Bedrohung dar - auch die Tiere. Alina musste den Soldaten immer wieder ihre Katzen zur Durchsuchung überlassen.
Am frühen Morgen des 28. März betraten Alina und ihre Mutter an der Grenze von Medyka polnischen Boden. Zusammen mit humanitären Organisationen war auch der IFAW (International Fund for Animal Welfare) vor Ort, um die Flüchtlinge willkommen zu heißen und sich um die Tiere in Not zu kümmern. Der IFAW blickt auf langjährige Erfahrung in Sachen Katastrophenhilfe zurück und hilft Tieren in Not während Hurrikans, Buschbränden, Überschwemmungen, Erdbeben oder eben auch Situationen wie derzeit in der Ukraine.
Alina und ihre Familie wurden von Diane Treadwell empfangen, die seit mehr als 12 Jahren immer wieder für den IFAW im Einsatz ist. Sie brachte die Katzen in die Tierhilfe-Station, wo Shannon Walajtys, Programmdirektorin des IFAW-Teams für Katastrophenhilfe, bereits wartete, um dabei zu helfen die Vitalwerte der Katzen zu überprüfen und sie in die Klinik zu bringen, wo sie geimpft und gechipt wurden. Nach den Behandlungen brachten Treadwell und Walajtys Alina und ihre Mutter in den hinteren Teil des Service-Zeltes, wo sie zu Ruhe kommen, Nahrung holen und sich aufwärmen konnten. Es war das erste Mal seit über 30 Tagen, dass Alina einen Moment für sich selbst hatte.
„Es fühlt sich aufgrund des Kontrasts surreal an. Es fühlt sich im Moment wie ein Traum an", erklärt Alina. „Ich habe das Gefühl, ich könnte jeden Moment aufwachen und wieder im Keller landen. Ich wusste, dass es hier Rettungsstationen gibt, die sich speziell um die Tiere kümmern, also bin ich nicht überrascht, dass ich Hilfe finde. Ich bin nur überrascht, dass es so viel Hilfe ist und so schnell mit so viel Menschlichkeit reagiert wurde.“
Während Katastrophen finden sich Menschen oft in unmöglichen Situation wieder und stehen vor unmöglichen Entscheidungen. Auch, ob sie auf der Flucht ihre Tiere mitnehmen können. Für Alina stand es außer Frage – es war klar, dass ihre Tiere Buck, Tom und Marysia mitkommen würden.
„Ich denke, dass Menschen, die denken, dass ein Tierleben weniger wert ist als ein Menschenleben, eine ganz andere Art von Weltanschauung haben als ich." Sie erzählt, dass zwei ihrer Katzen Streuner sind, die sie von der Straße gerettet hat. Die dritte ist ein 19-jähriger Kater, den sie nach dem Tod seines vorherigen Halters adoptierte.
„Sie waren ganz normale glückliche Katzen, die miteinander spielten, manchmal auch miteinander kämpften... Sie hatten ein normales Leben, bis der Krieg begann. Wir brachten sie in den Keller und sie litten einen Monat lang unter den Bomben und dem Beschuss, genau wie wir.
Alina sagt, dass sie weiterreisen will, bis sie die Vereinigten Staaten oder Kanada erreicht hat.
„In meinem Kopf rasen die Gedanken umher. Ich kann keine Aufgabe beenden, die ich anfange. Ich glaube, ich habe noch nicht verarbeitet, was passiert ist... Ich muss mich um meine Mutter kümmern, die die Sprache nicht spricht und noch nie im Ausland war. Und ich habe drei Katzen. Im Moment konzentriere ich mich also darauf, die Verantwortliche in der Familie zu sein, und versuche, meinen Vater zu finden. Aber sobald das erledigt ist, wird es mich wohl umso härter treffen.“
Auf die Frage, ob sie hofft, eines Tages nach Mariupol zurückzukehren, holt Alina tief Luft und hält inne. Sie sehnt sich nach der Ukraine und danach, den Hilfsbedürftigen zu helfen, aber sie ist unsicher, was die Zukunft bringt.
„Wenn es um meine Heimatstadt Mariupol geht, denke ich, dass ich auf keinen Fall zurückkommen werde, weil sie nicht mehr da ist, und ich weiß nicht, wie man so etwas wieder aufbauen kann. Und selbst wenn sie es tun, wird es von Russland kontrolliert, was bedeutet, dass es für mich nicht existiert."
In ein paar Tagen werden Alina und ihre Familie ihre Reise nach Deutschland fortsetzen. Von dort aus werden sie möglicherweise vorübergehend in Belgien oder Dänemark Zuflucht suchen, bevor sie sich schließlich weiter in den Westen aufmachen.
Es graut Alina vor den nächsten Monaten, aber es besteht kein Zweifel daran, dass sie die Kraft hat, weiterzumachen. Sie ist am Leben und hofft auf eine bessere Zukunft - für ihre Familie und die Menschen in der Ukraine.
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