Simon Addison
Es ist an der Zeit, ökologische Verluste und Schäden durch die Klimakrise auf den Verhandlungstisch zu legen
Es ist an der Zeit, ökologische Verluste und Schäden durch die Klimakrise auf den Verhandlungstisch zu legen
Ein Großteil der Länder sieht sich bereits heute mit Extremwetterereignissen konfrontiert; der vom Menschen verursachte Klimawandel sorgt dafür, dass das Ausmaß von Verlusten und Schäden durch negative Auswirkungen der Klimaveränderungen erheblich zunimmt.
Im klimapolitischen Sprachgebrauch bezeichnen Verluste und Schäden die negativen Auswirkungen der Klimakrise, die durch Klimaschutzmaßnahmen und/oder Anpassung nicht vermieden werden können. Generell sind Randgruppen und Menschen, die in Armut im globalen Süden leben, unverhältnismäßig stark von diesen negativen Auswirkungen der Klimakrise betroffen. Es sind in der Regel Menschen, die keinen Zugang zu den notwendigen Ressourcen haben, um sich anzupassen und die intensiver und immer häufiger auftretenden Extremwetterereignisse bewerkstelligen zu können.
Verluste und Schäden werden im Allgemeinen in wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche kategorisiert. Man kann auch zwischen den unmittelbaren, direkten Auswirkungen eines Klimaereignisses (einschließlich des Verlusts von Menschenleben, Lebensgrundlagen, Vermögenswerten und Infrastruktur) und den längerfristigen, sekundären Auswirkungen (wie Störungen von Gesundheits- und Bildungsdiensten, Verlust von kulturellem Erbe oder Identität, erzwungene Migration, Zusammenbruch des sozialen Zusammenhalts, Stress und andere Auswirkungen auf die psychische Gesundheit) unterscheiden.
Die negativen Auswirkungen der Klimakrise auf die natürlichen Ökosysteme und die biologische Vielfalt können als ökologische Verluste und Schäden bezeichnet werden. Dazu gehören nichtwirtschaftliche Auswirkungen auf die natürlichen Systeme selbst, wie das Aussterben einer bestimmten Art oder die Schädigung der Struktur eines bestimmten Ökosystems, und solche, die sich auf menschliche Gemeinschaften auswirken könnten. Dabei geht es u.a. um die kulturellen Auswirkungen von ökologischen Verlusten und Schäden für indigene Völker. Der Begriff bezieht sich auch auf die verschiedenen Arten von wirtschaftlichen Verlusten und Schäden, die die Menschen indirekt durch die Verringerung der Bereitstellung von Ökosystemleistungen aufgrund von Extremwetterereignissen erfahren.
Eine politische Frage
Seit mehreren Jahrzehnten fordern die Entwicklungsländer des globalen Südens – insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder und die kleinen Inselstaaten, dass die reichen Industrieländer die Verantwortung für die Verursachung der Klimakrise und für die daraus resultierenden Verluste und Schäden, die sie erleiden, übernehmen. Seit Beginn der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) haben diese Länder finanzielle Unterstützung gefordert, um Verluste und Schäden der Klimakrise bewältigen zu können.
Diese Forderungen blieben jahrzehntelang ungehört, bis im vergangenen Jahr auf der 27. Konferenz der Vertragsparteien des UNFCCC (COP27) in Ägypten endlich eine wegweisende Vereinbarung zur Einrichtung eines speziellen Fonds zur Bewältigung von Verlusten und Schäden im Zusammenhang mit der Klimakrise getroffen wurde. Dieser Fonds, so hoffen die Entwicklungsländer, wird die Beiträge der wohlhabenderen Länder sammeln und die Mittel so kanalisieren, dass die Entwicklungsländer bei der Bewältigung der eigenen Verluste und Schäden, in einer Weise unterstützt werden, die den lokalen Bedürfnissen entspricht, die Menschenrechte garantiert und die reichen Länder für die Folgen ihrer Emissionen zur Verantwortung zieht.
Im Laufe des letzten Jahres haben Entwicklungsländer und reiche Länder eine Reihe von Verhandlungen geführt, um die Einzelheiten der Einrichtung, Funktionsweise und Verwaltung dieses Fonds auszuarbeiten. Trotz einigen Spannungen zwischen den Vertragsparteien, die die Verhandlungen zu verschiedenen Zeitpunkten zum Scheitern zu bringen drohten, wurde auf der letzten Sitzung in Abu Dhabi im November 2023 eine Einigung erzielt.
Auf der COP28, die Ende 2023 in Dubai stattfand, konnten sich die Vertragsparteien auf einen Entwurf des Abkommens über den Fonds für Schäden und Verluste einigen. Dies stellt einen Durchbruch dar, da damit erstmals Finanzmittel im Rahmen der UNFCCC zur Bewältigung von Verlusten und Schäden in Entwicklungsländern mobilisiert werden und hoffentlich eine neue Ära für Länder eingeläutet wird, die auf die Auswirkungen des Klimakrise reagieren und sich davon erholen müssen.
Viele Entwicklungsländer und Organisationen der Zivilgesellschaft sind jedoch unzufrieden mit dem Abkommen. Sie wollen nicht, dass der Fonds bei der Weltbank angesiedelt wird – auch nicht als Übergangsmaßnahme – und äußerten sich besorgt darüber, dass die Vereinbarung keine starken Verpflichtungen in Bezug auf die Menschenrechte und keine Angaben zum Umfang der bereitgestellten Finanzmittel enthält, keine ausreichenden Garantien dafür bietet, dass die betroffenen Gemeinden direkt von dem Fonds profitieren und ein Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung haben, und die Beiträge für die Verursacherländer nicht verbindlich macht.
Ökologische Verluste und Schäden: Die wichtigsten Fragen
Trotz dieser Fortschritte bleiben viele Fragen zu ökologischen Verlusten und Schäden unbeantwortet.
Die Debatten darüber haben sich bisher eher auf die menschlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Klimakrise konzentriert, wobei der Schwerpunkt auf der Notwendigkeit lag, humanitäre Maßnahmen und Wiederaufbaumaßnahmen zu mobilisieren, um beschädigte Infrastrukturen und öffentliche Dienste zu reparieren und die Wiederherstellung der Lebensgrundlagen zu unterstützen. Während diese Themen fraglos von größter Bedeutung sind, wurde die Bedeutung der ökologischen Verluste und Schäden jedoch weitgehend vernachlässigt.
Dieses Versäumnis muss bald behoben werden. Mit jeder weiteren Erwärmung der Erde nehmen die negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme und damit auch die Verluste und Schäden für Menschen und Tiere weiter zu. Wir verlieren Ökosystemleistungen, die die Landschaften resilienter gegen die Klimakrise machen, und die Ökosysteme verlieren ihre Fähigkeit, CO2 zu speichern. Es ist an der Zeit, dass ökologische Verluste und Schäden direkt auf den Verhandlungstisch gelegt werden.
Die COP28 bot daher eine günstige Gelegenheit, dringende Fragen zu ökologischen Verlusten und Schäden zu stellen und eine Einigung über notwendige gemeinsame Maßnahmen herbeizuführen. Wichtige Fragen diesbezüglich sind:
Verstehen und Messen ökologischer Verluste und Schäden
- Wie sollten ökologische Verluste und Schäden definiert werden?
- Wie sollten die ökologischen Auswirkungen der Klimakrise kategorisiert und gemessen werden?
- Welches Ausmaß haben die ökologischen Verluste und Schäden in den Entwicklungsländern bisher angenommen – sowohl die wirtschaftlichen als auch die nichtwirtschaftlichen? Welche Datenlücken bestehen und wie können sie geschlossen werden?
- Wie hoch sind die Risiken ökologischer Verluste und Schäden in der Zukunft unter verschiedenen Klimaszenarien in besonders vulnerablen Ländern oder Landschaften?
- Wie können wir ökologische Verluste und Schäden genau quantifizieren – sowohl solche, die bereits eingetreten sind, als auch solche, die in Zukunft wahrscheinlich eintreten werden? Verfügen wir über die Instrumente, um zuverlässige Schätzungen vorzunehmen?
- Wie können wir den Wert ökologischer Verluste und Schäden schätzen und dabei sowohl ihren wirtschaftlichen als auch ihren nicht-wirtschaftlichen Wert berücksichtigen? Brauchen wir neue Methoden oder Ansätze?
Umgang mit ökologischen Verlusten und Schäden
- Wie können wir wirksame Maßnahmen ergreifen, um ökologische Verluste und Schäden sowohl bei Extremwetterereignissen als auch bei langsam eintretenden Prozessen anzugehen? Welche Belege gibt es für wirksame Maßnahmen in verschiedenen Ökosystemen und bei verschiedenen Arten?
- Wie können wir Ökosysteme und Arten wirksam dabei unterstützen, sich von Extremwetterereignissen zu erholen? Welche neuen Kapazitäten werden benötigt, von wem und wo?
- Wie können naturbasierte Lösungen genutzt werden, um ökologischen Verlusten und Schäden wirksam zu begegnen? Welche Arten von naturbasierten Lösungen müssen ausgeweitet werden, und wo?
- Welche Grundsätze müssen bei der Bewältigung ökologischer Verluste und Schäden in verschiedenen Kontexten beachtet werden?
Management und Finanzierung
- Welche Institutionen/Organisationen müssen mobilisiert werden, um ökologische Verluste und Schäden anzugehen? Sind dafür neue institutionelle und/oder Steuerungsregelungen erforderlich – auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene?
- Welche Arten von Finanzinstrumenten sind erforderlich, um ökologische Verluste und Schäden in Entwicklungsländern wirksam anzugehen? Gibt es die richtigen Instrumente? Wenn ja, wie können sie effektiver eingesetzt werden? Wenn nicht, wie können sie entwickelt werden?
- Welches Finanzvolumen wird benötigt, um ökologische Verluste und Schäden weltweit und in bestimmten Brennpunkten des globalen Südens zu bekämpfen? Wie kann dieses Finanzvolumen schnell genug mobilisiert werden, um die bereits eingetretenen Auswirkungen der Klimakrise zu bewältigen?
Internationale Politik und Rechenschaftspflicht
- Wie können ökologische Verluste und Schäden ausdrücklich in die Entscheidungen über den Loss and Damage Fund auf der COP28 und darüber hinaus einbezogen werden?
- Wie können Bemühungen zur Bewältigung ökologischer Verluste und Schäden auch die Erreichung anderer Ziele im Rahmen des Pariser Abkommens und anderer Rio-Konventionen wie dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und dem Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten unterstützen?
- Wie können die Verursacherländer für die ökologischen Auswirkungen der globalen Erwärmung zur Rechenschaft gezogen werden, und welche Rolle kann der private Sektor bei der Bewältigung ökologischer Verluste und Schäden spielen?
Sobald diese Fragen beantwortet sind, können die Länder Maßnahmen zur Bewältigung ökologischer Verluste und Schäden in ihre Pläne aufnehmen und von den reichen Ländern und Finanzgebenden finanzielle Unterstützung verlangen. Darüber hinaus werden wir eine klare Grundlage haben, auf der wir die Einbeziehung ökologischer Verluste und Schäden in die Gestaltung und Umsetzung des Loss and Damage Fund fordern oder die Möglichkeit der Einrichtung eines eigenständigen Fonds zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen der Klimakrise auf die biologische Vielfalt prüfen können.
Wie der IFAW mit ökologischen Verlusten und Schäden umgeht
Die Rettung von Tieren, die von Katastrophen betroffen sind, und die Unterstützung bei ihrer Rehabilitation sowie der Wiederherstellung ihrer Lebensräume stehen im Mittelpunkt der Arbeit des IFAW. Von Delfinen und Walen, die an der Küste New Englands (dt.: Neuengland) stranden, über von hohen Temperaturen und niedrigen Wasserständen betroffene Delfine im Amazonasgebiet, bis hin zu von Waldbränden betroffene Koalas in Australien, sowie von der Dürre in Afrika betroffene Elefanten – Tiere brauchen unsere Hilfe, und der IFAW arbeitet mit lokalen Gemeinden und anderen Beteiligten zusammen, um ihnen zu helfen. Wir helfen nicht nur dabei, Tiere zu retten und wieder gesund zu pflegen, sondern arbeiten auch daran, ihren Lebensraum wiederherzustellen, um ihre Resilienz gegenüber potenziell folgenden Katastrophen zu erhöhen.
Wir blicken auch in die Zukunft und untersuchen die Risiken, die die Klimakrise für Tiere und ihre Lebensräume mit sich bringt, und ergreifen Maßnahmen durch Initiativen wie Room to Roam, um klimaresiliente Landschaften zu schaffen, in denen Tiere und Menschen gemeinsam in einer sich verändernden Umwelt besser koexistieren können.
Auf der COP28 setzten wir uns dafür ein, dass ökologische Verluste und Schäden ernst genommen und im Loss and Damage Fund sowie in den nationalen Klimaschutzplänen berücksichtigt werden. Wir haben viele der oben genannten Fragen in einer Nebenveranstaltung im Nature Pavilion in der offiziellen Blue Zone gestellt und auf der gesamten Konferenz im Namen der Tiere gesprochen, um die Bedeutung von Wildtieren für den Klimaschutz hervorzuheben und zu erklären, warum es so wichtig ist, nicht nur die Vegetation wiederherzustellen, sondern auch einzelne Tiere aktiv zu unterstützen, zu retten und zu rehabilitieren.
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