Tierrettung bei Katastrophen – Europa
Indem wir Tiere vor, während und nach Katastrophen retten, helfen wir auch den MenschenWie ich half, Löwen vor dem Krieg in der Ukraine zu retten
Wie ich half, Löwen vor dem Krieg in der Ukraine zu retten
Geschrieben von Natalia Gozak, IFAW-Wildlife Rescue Officer in der Ukraine
Der Krieg in der Ukraine hat verheerende Folgen für Menschen, Wildtiere und die Orte, die sie ihr Zuhause nennen. Der IFAW leistet seit Beginn des Krieges Nothilfe für Tiere und Menschen – auch für in Gefangenschaft gezüchtete Wildtiere, die nicht ausgewildert werden können, da diese Tiere auf den Menschen angewiesen sind und/oder nicht zu den heimischen Arten gehören.
Für diese Tiere müssen wir einen geeigneten Zufluchtsort finden, an dem sie sich von den Auswirkungen des Krieges und von den Misshandlungen in Gefangenschaft erholen können.
Letzte Woche war ich Teil eines Teams, das drei erwachsene Löwen aus der Ukraine transportierte. Wir fuhren Atlas, Luladja und Queen 2.500 Kilometer quer durch Europa zum Parc de l'Auxois in der Bourgogne, Frankreich. Eine Operation wie diese ist sehr kompliziert und erfordert finanzielle Mittel und eine umfangreiche logistische Planung zwischen mehreren Organisationen und Regierungsämtern. Da die Tiere nicht wissen, was passiert, muss der Transport so durchgeführt werden, dass sie so wenig Stress wie möglich haben. Sie mussten schon so viel durchmachen.
Während des Transports führte ich dieses Tagebuch über meine unglaubliche Reise mit den Löwen – von einem Ort, an dem ihr Leben ständig in Gefahr war, zu einem Ort, von dem wir annehmen, dass dieser ihr endgültiges Zuhause sein wird.
Montag, 22. Januar
Ich beginne meine Reise in der Nähe von Kiew, am Rettungszentrum von Wild Animal Rescue, wo Natalia Popova während des Krieges großartige Arbeit bei der Pflege von Großkatzen geleistet hat. Sie kümmert sich seit Sommer 2022 um Atlas, Luladja und Queen.
Von den drei Löwen ist Atlas das einzige Männchen. Er wurde aus der Privathaltung in der in der Nähe von Kiew gerettet. Der Halter weigerte sich, sich weiter um ihn zu kümmern, da der Löwe nach dem schweren Granatenbeschuss in der Region Kiew in den ersten Monaten der Invasion aggressiver wurde. Leider war die Pflege, die Atlas von ihm bis dahin erhielt, sehr schlecht. Viele Menschen, die exotische Tiere kaufen, unterschätzen die Bedürfnisse dieser Tiere erheblich. Atlas hatte Wunden von dem kalten Betonboden seines kleinen Geheges und war stark übergewichtig. Bei seiner Ankunft bei Wild Animal Rescue wog Atlas fast 2,5-mal so viel wie er sollte.
Luladja und Queen waren beide aus der Ostukraine gerettet worden und hatten einige Zeit zusammen in provisorischen Gehegen verbracht. Als sie zu Wild Animal Rescue kamen, war Queen übergewichtig und Luladja untergewichtig: Zu Beginn wurden die beiden Löwinnen zusammen gefüttert, und Queen fraß das meiste Futter. Aus diesem Grund trennte Natalia sie anschließend bei der Fütterung, und beide sind jetzt gesünder.
Nach so vielen Umwälzungen in ihrem Leben ist heute der lang ersehnte Tag, an dem wir die Tiere endlich in ein sicheres neues Zuhause bringen können. Nach einem ganzen Tag der Vorbereitungen und der Sedierung werden wir die Löwen in neue Transportkisten und dann in ein neues Fahrzeug verladen – beides wurde vom IFAW finanziert. Heute werden wir durch die Nacht nach Domazhyr in der Region Lviv, nahe der polnisch-ukrainischen Grenze, fahren.
Dienstag, 23. Januar
Am frühen Morgen kommen wir wohlbehalten mit den Löwen in Domazhyr in der Region Lviv an. Dort treffen wir auf das Transportteam des M&M Zoo Service, das vom IFAW beauftragt wurde, den restlichen Transport der Löwen zu ihrem neuen Zuhause zu übernehmen. Die Löwinnen werden in neue Kisten verfrachtet, die in das Fahrzeug von M&M passen.
Nach einer kurzen Pause fahren wir zum nächstgelegenen Grenzübergang an der polnisch-ukrainischen Grenze. Doch kurz nachdem wir Domazhyr verlassen haben, muss das Fahrzeug mit den Löwen auf einer eisbedeckten Straße, die einen kleinen Hügel hinaufführt, anhalten. Es ist zu rutschig und zu gefährlich, um weiterzufahren. Glücklicherweise hilft ein Team der örtlichen Tierrettung unserem Team, eine alternative Route zu finden, und wir sind wieder auf dem Weg.
Alle Straßen in der Gegend sind schneebedeckt und es ist sehr kalt, so dass die nächsten Stunden bis zum Erreichen des Grenzgebiets noch schwierig sein werden.
Mittwoch, 24. Januar
Wir schaffen es über alle schnee- und eisbedeckten Straßen in der Ukraine, nur um an der Grenze aufgrund von administrativen Komplikationen zwischen dem Personal des ukrainischen, polnischen und französischen Zoll festzustecken. Das IFAW-Team in Frankreich ruft schnell an und schafft es, die Dinge in Ordnung zu bringen.
Das Transportteam und ich mussten zwar über Nacht im Auto an der Grenze bleiben und darauf warten, dass das Veterinäramt am Morgen öffnet, so dass wir rund 10 Stunden Verspätung haben, doch jetzt sind wir beim polnischen Zoll und tiermedizinischem Personal. Wir hoffen, dass wir unsere Reise in den nächsten Stunden fortsetzen können. Wir werden immer noch halb Europa durchqueren müssen. Zudem gibt es besorgniserregende Nachrichten über Proteste von Bauern in Frankreich, die unsere Route blockieren.
Atlas wurde in Domazhyr nicht in eine andere Kiste umgeladen, so dass es ihm von den drei Löwen am besten geht (natürlich immer noch nicht gut, da sich die Tiere in kleinen Kisten in einem fahrenden Fahrzeug befinden und nicht wissen, was mit ihnen geschieht). Aber Luladja und Queen waren nach dem neuerlichen Verladen sehr gestresst und blieben wie erstarrt. Wir können jedoch feststellen, dass sich die beiden jetzt bewegen, denn wir spüren das Schwanken des Wagens. Das bedeutet, dass es ihnen etwas besser geht.
Gegen 19 Uhr kommen wir schließlich in Wrocław an, wo wir eine 9-stündige Pause einlegen werden. Die Löwen haben Wasser und Futter bekommen. Es scheint ihnen allen gut zu gehen. Queen saß anfangs wie erstarrt in der Ecke ihrer Kiste, doch als wir uns vom Auto entfernten und sie allein ließen, fing sie sofort an, das ganze Fleisch zu fressen.
Donnerstag, 25. Januar
Wir verlassen Wrocław gegen 5 Uhr morgens mit dem Ziel, Frankreich innerhalb eines Tages zu erreichen – doch das hängt vom Verkehr und den Protesten in Frankreich ab.
Diesmal frisst Queen gut und versteckt sich nicht mehr. Atlas frisst nicht so gut, doch er ist aktiv und wir können ihn hinten brüllen hören. Ich hoffe, dass die anderen Leute ihn nicht hören, da es ihnen einen Schrecken einjagen könnte.
Gegen 18 Uhr überqueren wir die Grenze nach Frankreich – unser letzter Grenzübergang! Vor ein paar Stunden haben wir während einer kurzen Pause nach den Löwen gesehen, und es ging ihnen gut. Wir werden uns jetzt ausruhen, und morgen früh werden wir dann die letzte Etappe der Reise zurücklegen.
Nachdem ich vier Tage lang hauptsächlich im Auto verbracht habe, wird mir wieder einmal deutlich, wie schön es ist, in einem Bett zu schlafen!
Freitag, 26. Januar
Wir stehen gegen 7 Uhr auf. Alle sind müde, fühlen sich aber gut. Den Löwen geht es ebenfalls gut, auch wenn sie sich ein wenig langweilen. Die Löwinnen lassen sich fotografieren.
Gegen 9:10 Uhr kommen wir endlich im Parc de l'Auxois an. Wir werden von den verschiedenen Teams des Parks, des IFAW Frankreich und der Medien mit Applaus empfangen.
Hinweis: Das folgende Video ist eine Art Video-Tagebuch von Natalia Gozak, die die aus der Ukraine geretteten Löwen auf ihrer Reise nach Frankreich begleitete. Augenblicklich ist das Video lediglich in englischer Sprache verfügbar. Leider kommt es aktuell bei uns in manchen Fällen zu technischen Schwierigkeiten. Vereinzelt wird eine weiße Fläche anstelle eines Videos angezeigt. Ist dies bei Ihnen der Fall, finden Sie HIER alternativ den Link zu unserem Video auf YouTube.
Nachdem ich mich mit den Transport- und Park-Teams abgesprochen habe, beginnen wir mit dem Entladen. Das Fahrzeug wird so nah wie möglich an das Innengehege der Löwen herangefahren. Dann entlädt ein Gabelstapler die Kisten – eine nach der anderen. Daraufhin werden die Kisten durch das Außengehege in Richtung Innengehege gefahren, um dort an das Gehege gestellt zu werden. Eine Falltür wird geöffnet, damit die Löwen ihre ersten Schritte in ihr sicheres, friedliches neues Zuhause machen können, sobald sie sich bereit fühlen.
Die Löwen werden von tierärztlichem Personal untersucht und können dann in ihrem eigenen Tempo auf Entdeckungstour gehen. Es war ein langer Weg für uns alle, aber dank der Unterstützerinnen und Unterstützer des IFAW können diese faszinierenden Tiere nun Sicherheit und Fürsorge erfahren, wie sie beides zuvor noch nie erlebt haben.
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