Tierrettung bei Katastrophen – Europa
Indem wir Tiere vor, während und nach Katastrophen retten, helfen wir auch den MenschenDie nächste Katastrophe kommt. Sind wir darauf vorbereitet?
Die nächste Katastrophe kommt. Sind wir darauf vorbereitet?
Verfasst von Céline Sissler-Bienvenu, Senior Program Officer – Katastrophenhilfe Europa
Als letztes Jahr im Südwesten Frankreichs Waldbrände ausbrachen, bedrohte das Feuer auch die dort lebenden Wildtiere, darunter Griechische Landschildkröten. Doch die Reptilien bewegen sich nur langsam fort und konnten den Flammen nicht entkommen. Hunderte der unter Artenschutz stehenden Schildkröten starben. Bereits seit einigen Jahren investiert Europa in den Schutz der Griechischen Landschildkröten, aber niemand hatte einen Plan aufgestellt, um diesen im Brandfall zu helfen. Und das, obwohl in ihrem Lebensraum eine hohe Waldbrandgefahr besteht.
Jede Katastrophe löst eine Welle der Hilfsbereitschaft aus und Tiere werden gerettet. Danach jedoch schwindet das Interesse häufig – bis zur nächsten Katastrophe. Doch wieso nicht über die Tierrettung im Katastrophenfall nachdenken, bevor die Katastrophe eintritt?
Es kommt in Europa immer häufiger zu Waldbränden, Überflutungen und Dürren und die Ausmaße der Naturkatastrophen sind extremer als je zuvor. Daher sollte man sich verstärkt darum bemühen, Tiere in die Katastrophenschutzpläne einzubeziehen. Durch unsere Erfahrung beim IFAW wissen wir, dass eine gute Vorsorge dazu beitragen kann, mehr Leben zu retten – sowohl Menschenleben als auch Tierleben. Gleichzeitig spart die Vorsorge Geld.
Gute Planung kann das Ausmaß des Tierleids, dass z.B. durch die Zerstörung ihrer Futterquellen oder die Ausbreitung von Krankheiten entsteht, sowie das Massensterben von Tieren während und nach einer Katastrophe minimieren. Sie kann auch das Risiko mindern, dass Menschen durch Tiere nach Katastrophen in Gefahr geraten oder bedrohlichen Situationen ausgesetzt sind, wenn z.B. verletzte Tiere und solche, die Nahrung oder einen Unterschlupf suchen, in von Menschen besiedelte Gebiete kommen. Neben den unmittelbaren gefahren können so auch Zoonosen übertragen oder das Trinkwasser verunreinigt werden.
Aber nicht nur wild lebende Tiere brauchen eine bessere Katastrophenschutzplanung, sondern auch Haustiere. Wenn es einen Plan zur Evakuierung von Haustieren gibt, schützt dies auch viele Haustierhalter, die sich ansonsten evtl. einer Evakuierung - ohne ihre Tiere - widersetzen oder die in Gefahrenzonen zurückkehren, um ihre dort verbliebenen Tiere zu versorgen. Solche Situationen können das Leben der Tierhalter, ihrer Haustiere und der Rettungskräfte in Gefahr bringen.
Menschen, die Tiere halten, insbesondere diejenigen, die in Gebieten leben, in denen ein hohes Katastrophenrisiko besteht, sehen oft ein, dass ein Notfallplan nötig ist. Sie sind bereit, die grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, die neben dem Niederschreiben eines Plans auch das Bereithalten der entsprechenden Papiere und das Vorbereiten einer Notfalltasche für ihre Haustiere umfassen. Aber wir müssen in Europa im größeren Maßstab denken und nicht auf persönliche Vorsichtsmaßnahmen allein vertrauen, sondern Systeme etablieren, die über alle Regierungsebenen hinweg funktionieren.
Es ist keine leichte Aufgabe, die Behörden davon zu überzeugen, dass sie ihre bestehenden Krisenpläne um eine Tierrettungskomponente erweitern müssen. Wir verstehen, dass Regierungen zurückhaltend sind, wenn es um die Planung von Katastrophenschutzetats geht, aber wir wissen auch, dass eine derartige Investition für enorme finanzielle Einsparungen sorgt, wenn der nächste Katastrophenfall eintritt. Katastrophen haben auch eine wirtschaftliche Komponente, und Tiere sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, ob man das nun gutheißt oder nicht. Eine Studie zu den Folgen der Flutkatastrophe in Indien 2012 zeigt, dass jeder Dollar, der für eine frühe Intervention zugunsten von Tieren aufgewendet wurde, der Viehhaltung einen wirtschaftlichen Vorteil im Wert von 96 US-Dollar eingebracht hat.
Der IFAW will darüber aufklären, wie eine gute Vorbereitung die Risiken für Tiere und Menschen im Katastrophenfall verringern kann. Vor Kurzem haben wir einen Bericht veröffentlicht, in dem wir die wichtigsten Maßnahmen skizzieren, welche wir hinsichtlich der Einbeziehung des Tierschutzes in das Katastrophenmanagement der Europäischen Union (EU) und in die EU-Finanzierung empfehlen:
- Verbesserung des Wissens über die Bedürfnisse von Tieren in Notsituationen sowie der Fähigkeiten von Regierungen, diese Probleme zu bewältigen und darauf zu reagieren.
- Bereitstellung von Ressourcen für einen integrierten Umgang mit dem Tierschutz in humanitären Notsituationen, sowohl für (a) EU-Mitgliedstaaten als auch (b) humanitäre Kriseneinsätze außerhalb der EU.
- Erhöhte Anerkennung und verbesserte Kommunikation der Notwendigkeit, Tiere zu schützen, wenn die Abhängigkeit zwischen Mensch und Tier groß ist.
- Klare Aufteilung der Verantwortung für den Tierschutz in Notsituationen.
- Integration des Tierschutzes in das Notfallmanagement.
- Optimierte Organisation des landwirtschaftlichen Sektors und der Kommunen mit Notfallplanern zur Verbesserung des Katastrophenmanagements.
Damit die Katastrophenvorsorge nicht in Vergessenheit gerät, hat der IFAW den Oktober zum europäischen Monat der Katastrophenvorsorge erklärt, passend zum Internationalen Tag der Katastrophenvorsorge am 13. Oktober.
Katastrophen treten häufiger auf als früher und ihre Ausmaße werden immer verheerender, was zu einer gewissen Dynamik führt. Die Menschen verstehen, dass es wichtig ist, jetzt an die zu denken – nicht erst, wenn es zu spät ist. Jetzt müssen wir Pläne für Tiere im Katastrophenfall entwickeln, damit wir gut für ihre Rettung aufgestellt sind, wenn es soweit ist. Wir müssen funktionsfähige und geprüfte Systeme etablieren, bevor uns die nächste Katastrophe trifft.
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