Lebensraumschutzprojekt Malawi/Sambia
Lebensräume überschreiten Grenzen, Wilderer ebenfallsVom Wilderer zum Hüter der Natur
Vom Wilderer zum Hüter der Natur
Smoke Phiri ist ein Mensch von großer Ausstrahlung. Die Art, mit der über seine neun Kinder wacht, wird durch seine kräftige Statur noch einmal betont. Wenn er spricht, untermalen seine von Arbeit gezeichneten Händen jedes Wort. Mit seinen 50 Jahren strahlt dieser Mann eine beeindruckende Kraft und Präsenz aus. Zugleich macht er bei unserem Zusammentreffen einen zurückhaltenden Eindruck auf mich. Vielleicht liegt es daran, weil Smoke seinen Lebensunterhalt zwanzig Jahre lang als Wilderer verdiente und noch nicht einschätzen kann, wie ich darüber denke.
Zusammen mit der Fotografin Julia Gunther treffe ich Smoke im Rahmen eines Projektbesuchs in einem Schutzgebiet an der Grenze zwischen Malawi und Sambia. Ich bin hier, um über ein neues Projekt zu schreiben, das der IFAW seit 2021 mit seiner Partnerorganisation COMACO (Community Markets for Conservation) umsetzt und das über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) finanziert wird.
Der Titel des Projekts ist vielversprechend: „Enhancing Climate Resilience and Cross Border Collaborations in Kasungu/Lukusuzi Trans-frontier Conservation Area (TFCA)“ - zu Deutsch heißt das „Stärkung der Klimaresilienz und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Kasungu/Lukusuzi“. Das sind ehrgeizige, aber auch notwendige Ziele.
Das Projekt konzentriert sich auf Kleinbauern mit niedrigem Einkommen in den Stammesgebieten Chikomeni und Mwase Mphangwe, die zwischen den Nationalparks Lukusuziu in Sambia und Kasungu in Malawi gelegen sind. Diese Gebiete bilden einen wichtigen Wildtierkorridor zwischen mehreren nicht umzäunten Parks.Er wird ganzjährig von Büffeln, Hyänen, Elefanten und andere Wildtierarten durchquert.
Aufgrund dauernder Ernährungsunsicherheit - bedingt durch die Folgen des sich verschärfenden Klimawandels und eines Mangels an Absatzmärkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse – sahen sich viele Bauern dazu gezwungen, Wildtiere zu jagen.
Es überrascht nicht, dass das TFCA auch für den ehemaligen Wilderer Smoke ein beliebtes Jagdgebiet war. Hier, so erfahre ich, töteten sie Büffel, Kudus, Warzenschweine und wöchentlich auch ein bis zwei Elefanten. Smoke verkaufte das Elfenbein immer so schnell er konnte. Das Buschfleisch verzehrte er mit seiner Familie oder verkaufte es auf lokalen Märkten. Im Jahr 2003 gab Smoke die Wilderei jedoch auf. Wir stehen vor Smokes rotem Backsteinhaus und er berichtet uns von seinem persönlichen Sinneswandel. Rings um das Haus sind Felder, auf denen der ehemalige Wilderer jetzt Sonnenblumen, Sojabohnen und Erdnüssen anbaut.
Während unseres Besuchs treffen wir außer Smoke auch andere Bauern, die früher als Wilderer tätig waren. Sie alle sind sich einig, dass Menschen erst praktische Alternativen brauchen, um ihr Leben zu verändern. Solange sie nur diese Einnahmequelle haben, bringt es nichts, ihnen das Wildern zu verbieten. Es ist nutzlos, sie wegen ihrer zerstörerischen Praktiken zu verurteilen, wenn man ihnen nicht gleichzeitig Alternativen aufzeigt. Während unseres Besuchs in diesem abgelegenen Teil Sambias wird mir bewusst, wie komplex dieses Problem ist: Es existieren nur sehr wenige Märkte, die Straßen sind während der Regenzeit oft unpassierbar. Es kann passieren, dass der lokalen Bevölkerung dadurch die Nahrung bereits Monate vor der nächsten Ernte ausgeht.
Genau deshalb ist der Ansatz von COMACO so erfolgreich. COMACO zeigt den Bauern, wie sie die Fruchtbarkeit ihrer Böden verbessern können und schafft zugleich Märkte für Bauern, die ihre Ernte aufgrund fehlender Absatzmöglichkeiten nicht verkaufen können.
Auch Smoke wurde von COMACO zum Bauern ausgebildet. Auf diese Weise verhalf ihm das Projekt zu einer Art Neustart im Leben, nachdem er seit seinem 13. Lebensjahr als Wilderer aktiv war. Die Qualifizierung und Fortbildung im Bereich Gemüseanbau, nachhaltiger Landwirtschaft, Bienen- und Geflügelzucht sowie Tischlerei ermöglichten es ihm, sein Jagdgewehr gegen eine Hacke und einige Säcke mit Saatgut zu tauschen. Damit kehrte in sein Heimatdorf zurück, um Bauer zu werden. Er wandelte sich vom zerstörerischen Wilderer zum Hüter einer bedeutenden Landschaft.
Smoke ist sicherlich eher ein extremes Beispiel für die Wandlung, die manche Menschen im COMACO Projekt durchmachen. Denn COMACO konzentriert sich nicht nur darauf, Wilderer zu bekehren. Sie schulten in den letzten 19 Jahren vor allem traditionelle Bauern in der Anwendung nachhaltiger landwirtschaftlicher Techniken, um deren Ernteerträge ohne den Einsatz von Chemikalien oder Düngern zu verbessern.
Wohin wir auch kommen, erzählen uns die Bauern begeistert, was sie gelernt haben: Wie man Felder mit speziellen Trennmaschinen schonend bestellt, wie man organisches Material wie Blätter oder Äste als Dünger in den Boden einarbeitet; wie man stickstoffbindende Bäume wie Gliricidia Sepium anpflanzt; oder wie man verhindert, dass gesundheitsschädliche Pilze Erdnüsse befallen. Alles einfache und kostengünstige Lösungen, die aber helfen, Qualität und Menge der Ernteerträge zu steigern.
COMACO kauft Smokes Ernte heute zu Preisen über Marktniveau und transportiert diese zusammen mit der Ernte von eintausend weiteren Bauern in eine eigene große Fabrik in der Hauptstadt Lundazi im gleichnamigen Bezirk. Bei der Besichtigung der Fabrik kommen wir auch in eine Lagerhalle, die mit Tonnen von Reis, Erdnüssen, Mais, Soja und Bohnen gefüllt ist.
Zudem verfügt COMACO über ein Labor zur Qualitätskontrolle und eine eigene Abteilung für Produktentwicklung. An einer Mühle verarbeiten Arbeiter:innen gerade eine 300-Tonnen-Bestellung eines Mais-Soja-Breis für die Internationale Hilfsorganisation „Mary´s Meals“, die Schulausspeisungsprogramme durchführt. COMACO ist mit seiner Produktion von 150 Tonnen Erdnussbutter monatlich auch der wichtigste Erdnussbutter-Hersteller Sambias. Supermarktregale in ganz Sambia sind mit Dutzenden Produkten aus der COMACO Produktlinie „It´s Wild!“ gefüllt ist. Das Ausmaß der Produktion ist beeindruckend.
Die positiven Auswirkungen von Projekten wie diesem von IFAW und COMACO sind offensichtlich. Sie helfen den Kleinbauern, ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau nährstoffreicher, chemikalienfreier und hochwertiger Pflanzen zu verdienen. Das stärkt die Ernährungssicherheit und trägt außerdem dazu bei, die natürliche Landschaft zu bewahren, das Klima zu schonen und die Umwelt zu schützen.
Natürlich ist das Projekt auch mit Herausforderungen konfrontiert. Das Einzugsgebiet ist enorm und viele Farmer leben in weit entfernten Dörfern. Wie wahrscheinlich in allen Community-Projekten ist es auch hier kaum möglich, eine hunderprozentige Beteiligung zu erreichen. Wenn man aber die Erfolge dieses Projekts betrachtet, erscheinen die Probleme dagegen eher vernachlässigbar. Viele der beteiligten Bauern teilen ihre positiven Erfahrungen im Projekt mit anderen und helfen so, neue Interessierte zu finden. Was bei der Durchführung des Projekts sicherlich hilft ist, dass viele COMACO-Mitarbeiter:innen selbst Bauern sind.
Als Vorsitzender der Vereinigung ehemaliger Wilderer besucht und coacht Smoke auch inhaftierte Wilderer im Gefängnis in Lundazi. Ronald Mwale und Edison Mphande Phiri sind zwei ehemalige Wilderer, die nun ebenfalls als Bauern arbeiten. Die beiden scheinen glücklich über ihren Ausstieg zu sein. Als Bauern verdienen sie nicht nur mehr Geld, sie fühlen sich in der Landwirtschaft auch wesentlich sicherer. Bei seiner letzten Aktion als Wilderer wurden Ronald und vier weitere Jäger von einer Ranger-Patrouille überrascht. Im anschließenden Feuergefecht wurden seine vier Begleiter getötet.
Elita Mwale, Bäuerin und Mutter von sieben Kindern, zeigte uns voller Stolz ihr neues Haus, ihre zwei Ochsen, den eigenen Ochsenkarren und ihren Laden. Alles errichtet auf von ihr gekauftem Land. Das Geld dafür hatte sie durch den Verkauf ihrer Ernte an COMACO verdient.
2021 regnete es erst spät und deshalb konnte Fainess Mgulude ihre Ernte erst zum Ende der Erntezeit einholen. Noch in den Vorjahren hätte eine derart verspätete Ernte für die Witwe und ihre fünf Kindern eine Katastrophe bedeutet. Seit sie jedoch die bei COMACO gelernten Methoden anwendet, gelingt es ihr auch unter erschwerten Bedingungen genügend Ernteerträge für ihre Familie zu erwirtschaften. Auch die verspäteten Regenfälle bringen sie jetzt nicht mehr aus der Ruhe.
Es gibt hier sehr viele Beispiele, die anschaulich zeigen, was sich im TFCA bewegt: Elefantenwilderer, die jetzt Sonnenblumen anbauen, übernutzte Landschaften, die mittlerweile schonend bestellt werden, und Hunger, der sich in Nahrungsüberschuss gewandelt hat.
Mit meinem Bericht möchte ich Smoke, Ronald, Edison, Fainess und Elita meine große Anerkennung ausdrücken: Für die Wandlung, die manche von Ihnen durchlaufen haben, wie sie andere Menschen ein Vorbild sind und wie sie heute ihre Beziehung zur Natur pflegen.
—Nick Schonfeld
Dieser Bericht wurde allein vom IFAW erstellt, wobei ausschließlich Ansichten des IFAW und nicht die der GIZ wiedergegeben werden.
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