Rettung und Erforschung von gestrandeten Meeressäugern – weltweit
Niedrigwasser: Strandungsgefahr für MeeressäugerRettungsaktion für 45 gestrandete Delfine
Rettungsaktion für 45 gestrandete Delfine
Ich übernehme oft den Bereitschaftsdienst für die 24/7-Notrufhotline und bin es gewohnt, frühmorgens Anrufe wegen gestrandeter Meeressäuger zu erhalten. Doch auf einen Notruf wie den vom 9. August um 08.01 Uhr kann man sich wohl nicht vorbereiten. Ich war sprachlos, als ich den Grund des Anrufs erfuhr. Der Hafenmeister meldete 30 gestrandete Delfine an einem der tückischen Küstenabschnitte von Wellfleet, der wegen seines hakenförmigen Verlaufs und den dort herrschenden extremen Gezeiten häufig Delfinen zum Verhängnis wird. Ich bat den Hafenmeister darum, die Zahl zu wiederholen. Aber es gab keinen Zweifel, er hatte die gestrandeten Delfine direkt im Blick. Ein Foto zur Bestätigung war unnötig. Ich schickte sofort alle verfügbaren Rettungskräfte auf den Weg und versuchte so viele weitere Helfer wie möglich zusammenzutrommeln.
Ankunft vor Ort
Unser Team traf nach und nach in der Leitstelle ein. Die Retter schnappten sich ihre Ausrüstung, sammelten sich bei den Wagen und machten sich so schnell wie möglich auf den Weg. Erste Helfer trafen bereits kurz nach dem Notruf vor Ort ein. Ihr neuer Bericht: 45 gestrandete Delfine, davon 43 am Leben. Unsere Teams waren unterwegs. Bis zu ihrem Eintreffen kümmerten sich die bisherigen Helfer vor Ort um die Versorgung der Tiere.
Bei einer so großen Strandung war es nicht möglich, alle Tiere aus dem Schlamm zu ziehen, sie in unsere mobile Tierklinik zu bringen und dann noch vor der Flut an einen günstigen Ort zur Rückführung ins offene Meer zu transportieren. Wir mussten rasch eine andere Lösung finden. Die Flut kam schnell, und der Tag wurde immer heißer. Die Tiere lagen bereits eine ganze Weile auf dem Trockenen und litten unter der Hitze und der Sonneneinstrahlung.
Als wir vor Ort eintrafen ging alles sehr schnell. Nach einer kurzen Lageeinschätzung – 45 weit verstreute Tiere, wenige Mitarbeiter und einige freiwillige Helfer – hatten wir keine Sekunde zu verlieren. Wir begannen mit der mühsamen Arbeit, möglichst vielen Tieren so schnell wie möglich maßgefertigte Schlingen anzulegen, dann auf den Karren und anschließend aus dem Schlick zu bringen. Das verlief nicht ohne Probleme. Der dicke Schlick erschwerte jeden Schritt, die meisten Tiere reagierten ängstlich, wenn man sich ihnen näherte, und in Trockenanzügen und mit Covid-Maske war die Hitze nahezu unerträglich. Doch nichts davon konnte uns daran hindern, alles für diese Tiere zu geben.
Wettlauf gegen die Flut
Wir holten die weniger stabilen Tiere jeweils zu zweit heraus, und schafften es, elf Tiere zur medizinischen Untersuchung in unseren Behandlungswagen zu bringen. Gleichzeitig versorgten wir die verbleibenden Tiere, was nicht ganz einfach war, da wir ja auch Betreuer für die Tiere im Wagen, unserer mobilen Klinik, abstellen mussten. Nach der Bergung von drei, der noch im Schlick befindlichen, Tiere war das Wasser so weit gestiegen, dass die meisten Delfine wieder bewegungsfähig wurden. Nun begann das, was man nur als das sportlichste Ereignis meines Lebens bezeichnen kann. Die Delfine hatten Mühe, ihr Blasloch über Wasser zu halten, und zappelten im zähen Schlick. Das Team arbeitete unermüdlich. Auf jeden Retter kamen sieben Delfine. Sie liefen von Tier zu Tier, stellten sie zum Atmen aufrecht, mussten wenige Augenblicke später aber weiter zum nächsten. Das Gezappel der Delfine trübte das Wasser, so dass wir sie ertasten mussten. Es dauerte über eine Stunde, die Tiere zu sichern, bevor die Flut voll einsetzte. Die Delfine akklimatisierten sich und begannen, mit steigendem Wasserspiegel selbstständig zu schwimmen. Unser Team bemühte sich nun darum, die 30 Delfine vom Strand in tieferes Wasser zu geleiten. Da wir wissen, dass Delfine oft erneut stranden, wenn man sie nach der Rettung zu schnell wieder freigibt, standen Boote bereit, um die Tiere aus dem gefährlichen Küstenbereich zu führen.
Während die Teams in den Booten mit den Tieren im Wasser arbeiteten, kümmerten wir uns darum, die aus dem Schlick geborgenen und medizinisch versorgten Tiere ins offene Meer zurückzuführen. Zwei Delfine waren dem Stress durch Strandung und Hitze leider nicht gewachsen. Sie mussten eingeschläfert werden, um unnötiges Leiden zu verhindern. Die übrigen neun der medizinisch behandelten Delfine wurde nach ärztlicher Untersuchung zum Glück als tauglich für die Rückführung ins Meer eingestuft. Erschöpft und entschlossen brachten wir sie an einen nahe gelegenen Strand mit besserem Zugang zu tiefem Wasser. Als wir sahen, wie diese neun erstaunlich widerstandsfähigen Delfine zurück ins offene Meer schwammen, waren alle Anstrengungen und Probleme dieses außergewöhnlichen Tages sofort vergessen.
Danksagung
Wir möchten uns für die Unterstützung bei dieser außergewöhnlichen Rettungsaktion bedanken beim National Parks Service, dem Wellfleet Hafenmeister, der Polizei von Wellfleet, den Einwohnern und natürlich bei unseren großartigen freiwilligen Helfern, die alle einen maßgeblichen Beitrag zum Erfolg dieses Einsatzes leisteten. Ohne Partner, Unterstützer und reibungslose Koordination der erforderlichen Maßnahmen können wir nicht erfolgreich arbeiten, und wir möchten den vielen Menschen danken, die uns sowohl beim Rettungseinsatz als auch in der darauf folgenden Woche unterstützt haben.
-Kira Kasper, Expertin für die Rettung gestrandeter Meeressäuger
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