Benjamin Wiacek
Waltag in Island: Eindrücke von der Feier mit Experten und Campaignern der Initiative „Meet Us Don‘t Eat Us“
Waltag in Island: Eindrücke von der Feier mit Experten und Campaignern der Initiative „Meet Us Don‘t Eat Us“
20. Juni 2019, morgens: Ein kühler Wind treibt riesige weiße Wolken über den Himmel, während die leuchtende Sonne einen wundervollen Kontrast zum dunklen Gelände um Islands Hauptflughafen Keflavík International bildet.
Wir sind als IFAW-Delegation bei den Feierlichkeiten zum zweiten jährlich in Island stattfindenden Waltag dabei und um der Eröffnung eines neuen Themenraums im „Whales of Iceland“-Museum (Wale von Island) beizuwohnen. Wie Sie wissen, konzentriert sich unsere Arbeit in Island auf den Schutz der Wale!
Ich bin das erste Mal hier, und schon die einstündige Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt Reykjavík führt durch atemberaubende Landschaften so weit das Auge reicht.
Der IFAW arbeitet seit 2003 in Island, nachdem das Land angekündigt hatte, den kommerziellen Walfang wieder aufzunehmen. Ein großer Teil unserer Arbeit dort besteht darin, das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Walschutzes und die Bedeutung der Wale für das Meeresökosystem zu schärfen. Wir lehnen jeden kommerziellen Walfang ab und fördern das verantwortungsbewusste "Whale Watching" als profitable und nachhaltige Alternative für Küstengemeinden. Im Rahmen unserer Kampagne haben wir zusammen mit dem „Whales of Iceland“-Museum einen neuen Themenraum entwickelt, der dem Schutz der Wale gewidmet ist und praktische Lösungen zur Rettung der Finnwale vorstellt.
Wenn Sie wie ich nie einen Wal hautnah erlebt haben, wird das Museum, das lebensgroße Modelle dieser großartigen Tiere zeigt, auch bei Ihnen bleibenden Eindruck hinterlassen. Umgeben von einem 25 Meter langen Blauwal, einem Buckelwal und einem Seiwal fühle ich mich winzig und unbedeutend und sofort dazu aufgerufen, alles für den Schutz dieser Arten zu tun.
Die Eröffnungsfeier mit hochrangigen Gästen, offiziellen Ansprachen und dem abschließenden Durchtrennen des Bands läuft gut. Die Stimme der isländischen Sängerin und IFAW-Botschafterin Ragnheiður Gröndal hallt durch den in blaues Deckenlicht getauchten Hauptraum und verleiht der inspirierenden Veranstaltung eine ganz besondere Atmosphäre.
Ich traf den isländischen Repräsentanten des IFAW Sigursteinn Másson das erste Mal im vergangenen November und war sofort beeindruckt von seiner Begeisterung für das Thema und seinem persönlichen Engagement für die Kampagne. Doch erst an diesem Abend erkenne ich das ganze Ausmaß der Arbeit, die er in den letzten 16 Jahren für den Schutz der Wale vor dem kommerziellen Walfang geleistet hat!
Hunderte von Menschen drängen sich vor dem Museum, um mehr über den Walschutz zu erfahren. Vor wenigen Jahren noch war der Walfang in Island eine nationale Angelegenheit, die man nicht öffentlich infrage stellte. Dieses Jahr wird Island erstmals seit 2003 keine Wale harpunieren, was auf einen echten Wandel in den Köpfen der Menschen hinweist.
In unserer ersten Nacht in Reykjavík – nach dem gemeinsamen Essen mit Partnern, Forschern und Freunden – machen wir unter der kalten Mitternachtssonne einen Spaziergang durch den Hafen. Ein Tag vor der Sommersonnenwende taucht die Sonne Himmel und Wasser in ein rötliches Licht, bevor sie für nur wenige Stunden knapp unter den Horizont versinkt.
Freitag beginnen wir den Tag mit einer kurzen Nachbesprechung der Eröffnungsfeier im Museum. Martyna Daniel, die Museums-Leiterin, ist erleichtert. Wir sind uns einig, dass sich die monatelange Arbeit und der ganze Stress gelohnt haben: Der Abend war ein voller Erfolg. Natürlich gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber das wird sich mit der Zeit alles regeln. Einige Kinder versuchen, auf einen Buckelwal zu klettern – Martyna spricht kurz mit ihnen und kommt dann zu uns zurück. Wir erleben auch einen kurzen Moment der Panik, als die Meereslärm-Anlage, die den Besuchern den Einfluss von Unterwasserlärm auf Wale veranschaulicht, durch die Unvorsichtigkeit einiger Besucher fast zu Bruch geht. Einige Zeit später war das Problem gelöst und die Anlage wieder einsatzbereit.
Später treffen wir uns mit dem IFAW-Campaigner Marvin Dupree, der die „Meet Us Don’t Eat Us“-Kampagne in Island leitet. Mit dieser Kampagne wollen wir Island-Touristen den dringend notwendigen Schutz der Wale und die große Bedeutung des nachhaltigen "Whale Watching" als Alternative zum Walfang und zum Verzehr von Walfleisch vor Augen führen.
Das Konzept, das jetzt auch als Airbnb-Paket angeboten wird, ist einfach, aber wirksam: Island-Touristen die nachteiligen Auswirkungen des Verzehrs von Zwergwalfleisch erklären und sie dazu bewegen, nachhaltige "Whale Watching"-Touren zu buchen und die Botschaft unter anderen Touristen zu verbreiten. Marvin spricht mit leuchtenden Augen von seiner Arbeit und erzählt von Begegnungen mit Touristen – von den schüchternen, die etwas für sich lernen wollen, und von anderen, die das Spiel mitmachen und die Kampagne aktiv unterstützen.
Wir besichtigen den alten Hafen und schauen uns die beiden Fangboote von Hvalur H/F an, dem einzigen isländischen Walfangunternehmen, welches mit der Jagd auf Finnwale in Verbindung gebracht wird. Hinter den beiden Walfängern liegen mehrere "Whale Watching"-Boote – welch bittersüße Ironie! Wir machen viele Fotos, um unsere Erfahrungen mit anderen zu teilen und weitere Freiwillige zu begeistern.
Anlässlich der Feierlichkeiten zum Waltag fliegen die meisten von uns noch am Abend ins nördlich gelegene Akureyri. Auf der einstündigen Fahrt zwischen dem Flughafen Akureyri und unserer ersten Station Húsavík bewundere ich die Landschaft: Von kleinen Flüssen durchzogene weite Grünflächen unter dunklen Bergen mit schneebedeckten Gipfeln. Ich wusste vor meiner Ankunft nicht viel über Island und hatte nicht erwartet, so viel Grün zu sehen. Obwohl es bereits nach 23 Uhr ist, bricht warmes Sonnenlicht durch die Regenwolken und verwandelt die großartige Aussicht in ein zauberhaftes Bild. Zur Sommersonnenwende geht die Sonne in Húsavík überhaupt nicht unter.
Den Morgen verbringen wir zusammen mit Museumsleiterin Eva Björk Káradóttir, Wissenschaftlern und Walexperten im Wal-Museum von Húsavík. Am Waltag ist der Eintritt frei. Nach und nach finden sich auch die ersten Besucher ein. Das Wal-Museum in Húsavík unterscheidet sich in der Präsentation der Exponate deutlich vom „Whales of Iceland“-Museum. Statt das Interesse der Besucher mit einer bezaubernden Atmosphäre und lebensgroßen Modellen zu wecken, sind in Húsavík echte Walskelette verschiedener Arten ausgestellt – darunter auch das eines 2010 an der isländischen Küste gestrandeten Blauwals. Über die Geschichte des Walfangs in Island und seinen Einfluss auf die Populationen wird mit Postern, Info-Grafiken, Fotos und Videos informiert.
Nach einem Treffen mit isländischen und internationalen Forschern fahren wir nach Akureyri, wo uns ein weiterer Höhepunkt der Reise erwartet: Eine "Whale Watching"-Tour. Da wir nur wenig Zeit haben, nehmen wir statt des üblichen Beobachtungsboots ein Schnellboot. Nachdem wir uns mit Ganzkörperanzügen, Masken und Handschuhen für die Kälte gerüstet haben, geht es los!
Unter herrlichem Sonnenschein fahren wir hinaus auf das traumhaft blaue Wasser des knapp 60 Kilometer langen Fjords Eyjafjörður. Meine Gedanken wandern ab, während ich versuche, mir so viel wie möglich von der wundervollen Landschaft einzuprägen. Schnellboote haben nämlich den Nachteil, dass man sich die meiste Zeit gut festhalten muss und weniger Fotos schießen kann.
Plötzlich entdecken wir einen Buckelwal in etwa zehn Metern Entfernung dicht unter der Wasseroberfläche. Unser Boot verlangsamt und nähert sich vorsichtig dem Wal. Ein zweiter erscheint und taucht gleich wieder ab – nicht ohne uns mit einem kräftigen Schlag seiner Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche mächtig zu beeindrucken. Kurz darauf schwimmen fünf Wale in einem Umkreis von 50 Metern um unser Boot. Unser Tourleiter erkennt sie an den einzigartigen Markierungen und Formen ihrer Schwanzflossen und verrät uns ihre Namen. Eine Stunde später geht es zurück zum Hafen – die Realität hat uns wieder...
Wir besuchen die Ortschaften Hauganes und Dalvík, in denen Partner des IFAW ebenfalls zum Waltag verschiedene Aktivitäten für Touristen vorbereitet haben. Stolz zeigen sie das neue IFAW-Logo im Büro und freuen sich sehr über unseren Besuch im Norden Islands, da sie befürchtet hatten, alle Augen würden nur auf Reykjavík gerichtet sein. Es ist ein wichtiger Teil der Arbeit des IFAW Zeit und Energie für alle unsere Partner aufzubringen, denn die Qualität solcher Beziehungen kann darüber entscheiden, ob ein Projekt Erfolg hat oder nicht. Es ist entscheidend, diejenigen zu fördern, die heute und in den kommenden Jahrzehnten die tägliche Arbeit leisten. Wir fliegen zurück nach Reykjavík, tauschen unsere Erfahrungen und Erlebnisse mit den übrigen Teammitgliedern aus und packen dann die Sachen für die Rückreise früh am kommenden Morgen.
Die Wale in den Gewässern um Island sind sicher dieses Jahr – dank der Arbeit, des Engagements und der Unterstützung vieler Menschen. Doch die Zukunft bleibt ungewiss. Wir müssen unsere Arbeit fortsetzen. Der IFAW wird die Kampagne für den Schutz der Wale und die Förderung nachhaltiger Alternativen zum Walfang und zum Verzehr von Walfleisch fortführen. Wenn Menschen wie Sie und möglichst viele Touristen uns zur Seite stehen, können wir Islands Wale schützen und eine Welt schaffen, in der Meeressäuger und Menschen zusammen wachsen.
- Benjamin Wiacek, IFAW Kommunikationsmanager EU
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