Rettung von Meeressäugern
Rettung von Meeressäugern
Das IFAW-Programm zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern (Marine Mammal Rescue & Research, MMRR) ist im Bereich Rettungseinsätze bei Strandungen führend und genießt weltweit Anerkennung. An keinem Ort der Welt kommt es so häufig zu Massenstrandungen von Delfinen wie am Cape Cod in Massachusetts. Hier hat das MMRR-Team des IFAW seinen Sitz. Die Einsätze bei Strandungen sind nicht nur eine einmalige Gelegenheit für Rettung und modernste tierärztliche Versorgung dieser Tiere. Sie tragen auch dazu bei, Innovationen und wegweisende Forschung voranzutreiben, von der Partner:innen in aller Welt profitieren. Das Meeressäuger-Rettungsteam verbindet Einsätze vor Ort mit weltweiter Wirkung.
Im Geschäftsjahr 2021 führte es 386 Rettungseinsätze durch, um gestrandeten Meeressäugern zu Hilfe zu kommen. Dabei kümmerte es sich unter anderem um 137 lebende Meeressäuger (kleine Wale und Delfine, darunter auch Schweinswale), von denen 106 wieder ins Meer entlassen werden konnten.
Zusätzlich zu dieser praktischen Arbeit schulte das MMRRTeam des IFAW auch Einsatzteams aus verschiedenen Teilen der Welt und unterstützte sie. So verbessern wir Wohlergehen, Behandlung und tierärztliche Versorgung von gestrandeten Meeressäugern in aller Welt. Wir schulen auch regelmäßig engagierte Menschen vor Ort, die sich als freiwillige Helfer:innen an Rettungseinsätzen beteiligen möchten. Dies zeigt, was wir für die Tiere bewirken können, wenn wir mit den Menschen zusammenarbeiten, die in unmittelbarer Nähe zu ihnen leben.
Ein außergewöhnlicher Rettungseinsatz: Massenstrandung von 45 Delfinen
Im August 2020 wurde dem IFAW-Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern eine Massenstrandung gemeldet. Sofort startete das Team in den Einsatz. Die Strandung hatte sich in einem der tückischsten Küstenabschnitte von Wellfleet am Cape Cod in Massachusetts ereignet. Wegen des hakenförmigen Verlaufs und der extremen Gezeiten ist er ein Hotspot für Strandungen. Schnell wurde dem Team das Ausmaß klar: Es handelte sich um eine der größten Strandungen der 23-jährigen Geschichte der Meeressäuger-Rettung. 45 Delfine waren gestrandet und außerhalb des Wassers nun Sonneneinstrahlung und Hitze ausgesetzt. Leider waren zwei von ihnen bereits verendet.
Das Team musste schnell handeln. Es war nicht möglich, alle 43 lebenden Tiere aus dem Schlick zu befreien und an einen günstigeren Ort mit Zugang zum Meer zu transportieren, wie es normalerweise getan wird. Also mussten die ausgebildeten Mitarbeiter:innen und Freiwilligen sich auf die neue Situation einstellen.
Unermüdlich arbeitete das Team daran, zunächst die labilsten Tiere möglichst jeweils in Zweiergruppen zu befreien. So konnten elf Tiere in unseren Behandlungswagen gebracht werden und dort die dringend benötigte Versorgung erhalten. Aufgrund der herrschenden Hitze und des Schocks, den das Erlebnis ausgelöst hatte, mussten zwei Tiere eingeschläfert werden, damit ihnen weiteres Leid erspart blieb.
Gleichzeitig versorgte das Team die Tiere, die sich noch am Strandungsort befanden, so gut wie möglich. Schon bald wechselten die Gezeiten, und das Wasser stieg so weit, dass die Delfine wieder Auftrieb bekamen. Mit der ansteigenden Flut konnten sie wieder selbstständig schwimmen. Die Delfine schwammen nun zwar wieder, doch dem Team war bewusst, dass die Tiere vielleicht noch einmal stranden würden, wenn sie in diesem gefährlichen Gebiet blieben. Um den Tieren die beste Überlebenschance zu geben, wurden sie mithilfe spezieller Boote vorsichtig in tieferes Wasser geleitet.
Trotz der traumatischen Auswirkungen der Strandung wurden neun der medizinisch behandelten Delfine als tauglich für die Rückkehr ins Meer eingestuft. Sie wurden zu einem für die Freilassung geeigneten Ort mit gutem Zugang zu tiefem Wasser gebracht. Die erschöpften, aber entschlossenen Einsatzkräfte brachten alle Tiere zum Strand und entließen sie wieder ins Meer. Dann schwammen die Delfine davon. Beim Anblick dieser bemerkenswerten, widerstandsfähigen Tiere, die eine zweite Chance bekommen hatten und auf dem Weg in tiefere Gewässer waren, waren alle Anstrengungen des Tages schnell vergessen.
Die erste ihrer Art: eine mobile Tierarztpraxis für Meeressäuger
Nach jahrelangem individuellem Anpassen, Erproben und Improvisieren mit vorhandener Ausrüstung – und dank der Unterstützung durch Spender:innen im Geschäftsjahr 2020 – nahm das IFAW-Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern „Moby“ offiziell in Betrieb, die maßgeschneiderte mobile Tierarztklinik für Meeressäuger.
Es dauerte drei Jahre, das bislang einzigartige Fahrzeug zu entwerfen und zu bauen. Möglich wurde es durch die umfangreiche Erfahrung und das Wissen des IFAW über die Anforderungen der Meeressäuger-Rettung und den Brain Trust von LDV (HM). Das Unternehmen baut Einsatzfahrzeuge für Ersthelfer:innen.
Moby wurde direkt nach seiner Ankunft erprobt. Das Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern hatte im März 2021 unglaublich viel zu tun: über 70 Einsätze in nur einem Monat. Bei einem einzigen Vorfall wurden insgesamt neun Gemeine Delfine gemeinsam transportiert. Auf dem Weg zur sicheren Freilassung auf hoher See wurde der Gesundheitszustand der Tiere sorgfältig untersucht, und sie wurden gegen Dehydrierung und Schock behandelt. Dank Moby können Delfinschulen wie diese nun gemeinsam gerettet werden, gemeinsam überleben und danach gemeinsam ein gutes Leben haben.
Rettung, Rehabilitierung und Freilassung verfangener Robben
Das IFAW-Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern ist Wegbereiter neuer Methoden, mit denen Kegelrobben aus Fischereigerät befreit werden können. Fischernetze, die sich eng um den Hals einer Robbe schlingen, können zur tödlichen Gefahr werden, wenn die Tiere wachsen und sich die Netze immer tiefer einschneiden. Dann greift unser Team ein und betäubt die Tiere aus der Entfernung, damit sie eingefangen, befreit und behandelt werden können. Danach werden sie wieder in die Freiheit entlassen.
Es handelt sich um die ersten Rettungseinsätze dieser Art für Robben. Die Auswirkungen menschlichen Handels auf einzelne Tiere und Populationen können durch sie abgemildert werden – ein Gewinn für Tierwohl und Natur- und Artenschutz.
Im März 2021 rettete das Meeressäuger- Rettungsteam des IFAW eine junge Kegelrobbe, die sich im Cape Cod Canal in einem schweren Fischernetz verfangen hatte. Nachdem das Tier befreit und sein Gesundheitszustand beurteilt worden war, wurde es ins Rehabilitationszentrum des National Marine Life Center zu den Partner:innen des IFAW gebracht. Dort konnte es sein Gewicht verdoppeln – auf fast 45 Kilogramm!
Das Robbenmännchen wurde „Atlas“ genannt – nach dem Titan aus der griechischen Mythologie, der die Last des Himmelsgewölbes auf den Schultern tragen musste. Im Mai 2021 wurde Atlas freigelassen. Die gesunde, kräftige Robbe machte sich schnell wieder auf den Weg in seine Heimat im Meer. Wir hoffen, dass Atlas sich in den Gewässern im Golf von Maine aufhalten wird. Vielleicht zieht er auch in andere Gebiete weiter. Mit einem temporären, speziell auf Robben angepassten Satellitensender haben wir in den ersten Wochen nach der Freilassung verfolgt, wohin er zog. Als Teil unserer Kampagne Back to the Wild sorgte Atlas‘ Rettung weltweit für große Aufmerksamkeit.
large whales: always-on response and readiness
Für seine kontinuierliche Arbeit zur Rettung von Meeressäugern muss der IFAW ständig bereit sein, auf Strandungen großer Wale zu reagieren und zu Rettungsund Befreiungsaktionen aufzubrechen.
Nach Jahren der Vorbereitung, der Erprobung und des Übens setzte das Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern im Januar 2020 zum ersten Mal unser System zur Fernverabreichung von Medikamenten bei großen Walen ein. Als Teil eines von der USBehörde für Meeres- und Atmosphärenforschung (NOAA) einberufenen Teams machten sich IFAW-Mitarbeiter:innen nach Florida auf, wo sie einem neugeborenen Glattwal-Kalb mithilfe des neuen Verfahrens Antibiotika verabreichten. Das Tier war bei einer Schiffskollision verletzt worden. Damit wurde zum ersten Mal ein Glattwal-Kalb aus der Entfernung mit einem Medikament versorgt – ein bahnbrechendes Ereignis. Nordatlantische Glattwale gehören zu einer der am stärksten vom Aussterben bedrohten Tierarten. Es gibt nur noch 336 Tiere, sodass mehr denn je jedes einzelne zählt.
Unsere Teams sind bestrebt, aus allen Einsätzen zu lernen – auch dann, wenn sie kein positives Ende finden. Denn so können wir uns mit Innovationen immer besser für die Zukunft rüsten. Im November 2020 wurde das IFAW-Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern zu einem gestrandeten Buckelwalkalb vor Chatham in Massachusetts gerufen. Obwohl das Team tat, was es nur konnte, überlebte der Wal nicht. Doch das Team nahm den Vorfall zum Anlass, sich nach neuen Methoden zur Rettung großer Wale umzusehen. Die Gezeiten- und Wetterbedingungen waren schwierig, und es war ein Wettlauf mit der Zeit, doch das Tier wirkte ansonsten gesund. Wir fragen uns: Was für Lösungsansätze gibt es, damit wir in Zukunft in so einer Situation helfen können?
Im Mai 2021 versuchte man, einen Grindwal aus einer flachen Bucht vor New Bedford in Massachusetts zu treiben. Als der Wal strandete, untersuchte Dr. Sarah Sharp ihn und stellte fest, dass er sich in schlechtem Zustand befand. Man kam zu dem Schluss, dass es am humansten war, den Wal zu erlösen. Bei der Nekropsie wurden Proben entnommen, die uns helfen werden, diese eindrucksvollen Tiere künftig noch besser zu schützen.
Unser Team konnte nicht alle Schwierigkeiten lösen, die sich diesen Tieren stellen. Aber mit unserer Arbeit tragen wir zu fortlaufender Innovation und wegweisender Forschung bei, von der auch Kooperationspartner:innen in aller Welt profitieren.
Wissenstransfer für den Tierschutz
Koexistenz mit Robben an 100 Stränden am Cape Cod
Der IFAW hat für Strände am Cape Cod in den USA Schilder zur Verfügung gestellt, auf denen erklärt wird, wie man sich am Strand aufhalten kann, ohne Wildtiere zu beeinträchtigen. Insgesamt 100 Schilder wurden an 14 Städte und das Cape Cod National Seashore verteilt, einen Abschnitt des U.S. National Parks Service. Durch Aufklärung über Verhalten und Lebensräume von Robben sollen mit dieser Initiative Gespräche in der Bevölkerung darüber angeregt werden, wie man ein friedliches Miteinander fördern und Konflikte vermeiden kann. So wird das Verständnis dafür gefördert, wie sich in einer von Menschen dominierten Welt ein Zusammenleben mit Wildtieren gestalten lässt.
Oman: Erfolg dank Schulungen
Im Laufe der Jahre hat das IFAW-Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern zahlreiche Rettungsteams in über 16 Ländern in verschiedenen Teilen der Welt ausgebildet und beraten. Wohlergehen, Rettungsmethoden und die tierärztliche Versorgung gestrandeter Meeressäuger konnten so verbessert werden. Fünf Jahre nachdem IFAW und die Internationale Walfangkommission im Oman eine Schulung zum Befreien von Tieren aus Fischereigerät durchgeführt hatten, konnte die Umweltbehörde des Landes im Januar 2021 erfolgreich einen gefährdeten Arabischen Buckelwal im Arabischen Meer befreien. Später wurde der Wal gesichtet als er ungefährdet wieder in tieferen Gewässern unterwegs war – ein fantastischer Erfolg, der durch Zusammenarbeit möglich wurde.
Tierärztliche Bildung online
Das Team zur Rettung und Erforschung von Meeressäugern bemüht sich unablässig darum, Fachwissen des IFAW an die nächste Generation weiterzugeben. So investierte es in die Produktion eines Videos, das die Nekropsie (Autopsie) eines Delfins in Gänze zeigt. Der Film soll zu Weiterbildungszwecken mittels Gruppen wie der erstklassigen Ausbildungsplattform Aquavet der Cornell University und darüber hinaus eingesetzt werden. Studierende, Strandungs-Einsatzkräfte und Tierärzt:innen auf der ganzen Welt können auf Jahre hinaus mit dem Video geschult werden.
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