Katastrophenhilfe
Katastrophenhilfe
Naturkatastrophen werden auf der ganzen Welt immer häufiger und extremer. Sie richten Zerstörung in einem nicht gekannten Ausmaß an. Aber nicht nur Menschen müssen mit den unmittelbaren wie auch den langfristigen Folgen der häufiger werdenden Naturkatastrophen fertigwerden: Tiere sind davon ebenso betroffen.
Der IFAW hat die Zerstörungskraft der sich immer mehr verschärfenden Katastrophen schon häufig hautnah erlebt. Ob Hurrikan, Erdbeben oder Waldbrand – diese Ereignisse haben sowohl für Menschen als auch für Tiere verheerende Folgen. Unser Team aus geschulten, engagierten Expert:innen arbeitet weltweit. Es leistet im Katastrophenfall Nothilfe für Tiere und sorgt dafür, dass Tiere und ihre Menschen zusammenbleiben können. Außerdem unterstützen wir besonders gefährdete Gemeinschaften dabei, vorzusorgen und widerstandsfähiger zu werden.
Intensive Vorbereitung und sachkundige Kommunikation können im Notfall bei Menschen und Tieren über Leben und Tod entscheiden. Wir sind davon überzeugt, dass ein gut koordiniertes Vorgehen beim Umgang mit den Risiken und Auswirkungen sich abzeichnender Katastrophen in Europa entscheidend ist. Deshalb haben wir 2021 ein Team zur Katastrophenhilfe in Europa gegründet. Das Team wird mit Hilfe lokaler Akteur:innen und unserer internationalen Erfahrung für die Aufnahme von Tieren in Katastrophenschutzplänen eintreten.
Insgesamt haben wir im Geschäftsjahr 2022 über 101.717 von Katastrophen betroffenen Tieren geholfen, darunter 5.780 Haustieren geflüchteter Menschen aus der Ukraine, um die wir uns an der Grenze zu Polen gekümmert haben.
Nothilfe für Tiere: Schnelle Rettung und Versorgung im Katastrophenfall
Dürre in Somaliland: Hilfe für Menschen und Tiere
Nachdem die dritte Regenzeit in Folge ausgefallen war, wurden im Geschäftsjahr 2022 in Somaliland 810.000 Menschen durch extreme Trockenheit vertrieben und Ernten sowie Nutztiere stark dezimiert. Das Horn of Africa Voluntary Youth Committee (HAVOYOCO) führte Umfragen unter von der Dürre vertriebenen Menschen in den Regionen Togdheer, Sool und Sanag durch. Darin gaben 59% der Haushalte an, alle ihre Nutztiere und damit ihre Lebensgrundlage verloren zu haben, sodass sie in Städte ziehen mussten. Zahlreiche Tiere verendeten, weil es nicht genug Weideland und Wasser gab. Andere wurden verkauft, weil Lebensmittel- und Wasserpreise sprunghaft angestiegen waren und die verzweifelten Viehhalter:innen Geld brauchten, um ihre Familien zu ernähren.
Der IFAW evaluierte die Lage in Somaliland und stellte gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation Candlelight Lastwagen bereit, die Wasser für Nutztiere und Haushalte lieferten. Gemeinsam versorgten wir 300 Menschen und 555 für die Zucht wichtige Wiederkäuer (Schafe, Ziegen und Esel) in den Dörfern Ceeg, Warcibran, Fiqi-ayub, Haji-Salah und Duruqsi in Somaliland mit insgesamt 121.000 Litern Wasser.
Aufgrund der wenigen zur Verfügung stehenden Ressourcen für die lokale Bevölkerung herrschte eine akute Ernährungsunsicherheit, auf Notfallniveau. Mithilfe von Candlelight mietete der IFAW fünf Lastwagen, die je 162 Ballen Weidefutter in die im Rahmen des Projekts unterstützten Dörfer brachten. Dank der Lieferung konnten die Nutztiere auch während der Trockenzeit gefüttert werden und überleben. Candlelight schloss eine schriftliche Vereinbarung mit den Dorfkomitees aller Projektdörfer ab. Darin wurde festgehalten, wie sie dafür sorgen würden, dass unsere Hilfe bei den betroffenen Haushalten ankommt.
Tierrettungen nach Hurrikan Ida und langfristiger Wiederaufbau von Gemeinden
Am 29. August 2021, dem 16. Jahrestag von Hurrikan Katrina, traf Hurrikan Ida auf Port Fourchon im US-Bundesstaat Louisiana – und mit ihm verheerender Starkwind, lebensbedrohliche Sturmfluten und großflächige Überschwemmungen. Innerhalb 24 Stunden, nachdem beim IFAW eine Bitte um Unterstützung von der Behörde für Land- und Forstwirtschaft Lousiana (LDAF) einging, waren unsere Teams bereits unterwegs, um Nothilfe zu leisten, zum Beispiel in Form von Wasserrettung (Rettung von Tieren aus dem Wasser), provisorischen Unterbringungen sowie Such- und Rettungseinsätzen für Tiere.
Wir haben für Hunde in den Gemeinden Terrebonne und Lafourche eine provisorische Unterkunft eingerichtet, in der 250 Hunde aufgenommen werden können. Außerdem leisteten wir finanzielle Nothilfe, mit deren Hilfe 1.000 Katzen, Hunde und andere Haustiere sich von der Katastrophe erholen konnten.
Zur langfristigen Unterstützung von Gemeinden förderte der IFAW die Operation Whiskers. Ziel der Initiative ist es, Katzen in Louisiana zu helfen, die noch immer unter den Folgen des Hurrikan Ida leiden. Das Projekt rettet vom Sturm betroffene Katzen mit und ohne Halter:innen, vereint verloren gegangene Katzen mit ihren Halter:innen, vermittelt Katzen, die nicht mit ihrer Familie wiedervereint werden konnten, in ein neues Zuhause und bringt streunende Katzen nach Sterilisierung und Kennzeichnung des Ohres wieder an ihren Wohnort. Die mehrere Gemeinden umfassende Partnerschaft, mit der 2.500 Katzen geholfen werden soll, gilt als einzigartiges Konzept für verantwortungsvolles Management von Katzenpopulationen in Louisiana.
Soforthilfe nach Tsunami in Tonga
Im Januar 2022 wurde der Pazifikstaat Tonga nach dem Ausbruch eines Unterwasservulkans von einem Tsunami heimgesucht. Der IFAW evaluierte umgehend die Lage, um zu ermitteln, wie geholfen werden könnte. Durch den Tsunami und den Ascheregen wurden Wohngebiete, Straßen, Seehäfen, Energie- und Wasserversorgung sowie Unterseekabel für Telefon und Internet, über die der Inselstaat mit dem Rest der Welt verbunden ist, beschädigt. Inseln wie Atatā wurden fast vollständig zerstört und Menschen, Haus- und Nutztiere gerieten durch die Verwüstung in eine äußerst prekäre Lage.
Von unseren Freund:innen von der neuseeländischen Organisation South Pacific Animal Welfare (SPAW), die im Südpazifikraum tierärztliche Dienste leistet, erfuhren wir, dass der Tsunami großflächige Schäden angerichtet hatte. Einer ihrer Standorte war ganze 80 Kilometer weit ins Landesinnere verschoben worden.
Der IFAW stellte SPAW finanzielle Nothilfen zur Verfügung, damit die Tiere Tongas wichtigen Veterinärbedarf erhielten. Es handelte sich um eine gemeinsam mit der Regierung Tongas durchgeführte Maßnahme, um auf Tongatapu und den äußeren Inseln drei Monate lang essenzielle tierärztliche Hilfe leisten zu können. Mitarbeiter:innen des Ministeriums für Landwirtschaft, Lebensmittel und Wälder (MAFF) und einheimische Freiwillige leisteten unerlässliche Hilfe. So konnte sichergestellt werden, dass der Veterinärbedarf dort ankam, wo er am dringendsten gebraucht wurde. Dank der finanziellen Förderung durch den IFAW konnte 3.000 bis 4.000 Tieren geholfen werden, darunter Hunde, Katzen, Hühner und andere Nutztiere.
Katastrophenhilfe nach Erdbeben in Haiti
Am Samstag, den 14. August 2021 wurden Haiti und die umliegende Region von einem Erdbeben der Stärke 7,2 erschüttert. Wir nahmen sofort Kontakt zu unseren Partner:innen vor Ort auf, um uns ein Bild von dem Schaden zu machen, der in ihren Gemeinden entstanden war. Und wir waren umgehend zur Stelle, damit vom Erdbeben betroffene Tiere und Menschen eine sichere Unterkunft und etwas zu essen hatten.
Unsere Partner:innen in Haiti richteten mehrere tierärztliche Krankenstationen in der Region Les Cayes ein, die am schwersten betroffen war. Dort gab es dringend erforderliche medizinische Versorgung für Tiere, die vom Erdbeben und vom Tropensturm Grace betroffen waren. Insgesamt versorgten die Teams des IFAW 5.367 Tiere, darunter Ziegen, Schafe, Pferde, Esel, Hunde, Katzen und Schweine. Schon zuvor – nach dem Erdbeben 2010 und bei verschiedenen späteren Katastrophen – hatte der IFAW mit Partner:innen vor Ort zusammengearbeitet.
Und noch während Maßnahmen zur Katastrophenhilfe in Haiti in Gang waren, reagierten unsere Rettungsteams auf weitere Katastrophen: In Mexiko traf Tropensturm Grace als Hurrikan der Kategorie 1 auf Tulum und Playa del Carmen. IFAW-Tierärztin Dr. Erika Flores und ihr Team halfen vor Eintreffen des Sturms beim Bereitstellen von Unterkünften und Kliniken für Tiere und beteiligten sich an lokal organisierten Such- und Rettungseinsätzen. Und am Cape Cod in den USA bereitete sich unser Meeressäuger-Rettungsteam auf Nothilfe- Einsätze während des Tropensturms Henri vor.
Notfallhilfe für Wildtiere nach Überflutungen
Von Anfang 2021 bis Mitte 2022 erlebten Landesteile im Osten Australiens ganze drei verheerende Überflutungen. Einige Gebiete in New South Wales (NSW) waren jedes Mal betroffen. Einige dieser Gebiete waren schon durch die Buschbrände während des Schwarzen Sommers 2019/20 verwüstet worden.
Australiens vielfältige Tierwelt hat angesichts anhaltender Dürre, verheerender Buschbrände und nun auch noch mehreren Rekordhochwassern kaum eine Chance, sich zu erholen.
Der IFAW unterstützte 10 Rettungsgruppen und Pfleger:innen für Wildtiere in NSW und Queensland. Wir stellten lebensrettende Ressourcen zur Verfügung, darunter Gehege, Nahrung, Nahrungsergänzung, Ausrüstung wie Generatoren, Wasserpumpen, Heizgeräte und Herzstimulatoren sowie anderen Medizinbedarf.
Im Vorfeld der Überflutungen hatte das Team des IFAW Kontakt zu Wildtierpfleger: innen und Wildtierrettungs- Organisationen aufgenommen und sich vergewissert, dass diese einen Plan erarbeitet hatten, um auf eine eventuell notwendige Evakuierung vorbereitet zu sein. Wir gaben außerdem unsere Methoden und Kenntnisse zum Umgang mit Katastrophen weiter und führten Workshops zum Erarbeiten und Umsetzen von Evakuierungsplänen durch – denn wir wissen, dass gute Vorbereitung Leben rettet.
Australien erlebt hautnah, wie durch den Klimawandel Intensität und Häufigkeit extremer Wetterereignisse zunehmen. Menschen und Tiere bekommen die Folgen unablässig zu spüren. Der IFAW arbeitet mit örtlichen Gruppen und Wildtierpfleger:innen zusammen, damit sie im Katastrophenfall vorbereitet sind. Und wir helfen ihnen und den Tieren in ihrer Obhut, sich nach einer Katastrophe wieder zu erholen.
Der IFAW bedankt sich bei allen Spender:innen, Unterstützer:innen und Partner:innen, die es uns ermöglicht haben, im Geschäftsjahr 2022 im Bereich „Katastrophenhilfe“ Positives zu bewirken. Besonders erwähnen möchten wir dabei:
The Walt Disney Company
Rescue & Recover Fund der BNP Paribas
Polnisches Veterinäramt
Candlelight
South Pacific Animal Welfare (SPAW)
Nothilfe und langfristige Unterstützung für notleidende Tiere und Menschen aus der Ukraine
Bereits während der Krimkrise 2014 arbeitete der IFAW mit seinen Partnerorganisationen in der Ukraine zusammen. Als Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, standen wir denselben Einrichtungen erneut zur Seite. Dank unserer starken Partnerschaften konnten wir unsere Nothilfe-Maßnahmen in der Ukraine, Polen und anderen Nachbarländern schnell ausweiten. Wir nahmen Kontakt zu Regierungen und Veterinärbehörden auf, besprachen ihre Bedürfnisse und unterstützten Zoos und Schutzzentren dabei, Wildtiere zu evakuieren und in sicherere Gebiete zu bringen.
Unser Katastrophenhilfe-Team war von März bis Mai 2022 zwei Monate lang in Polen im Einsatz. Das Team betreute dort die einzige Tierhilfe- Station, das sogenannte „blaue Zelt“ in Medyka, dem am stärksten genutzten Grenzübergang zur Ukraine. Unsere Hilfskräfte, Tierärzt:innen und Freiwilligen kümmerten sich im „blauen Zelt“ unermüdlich um geflüchtete Menschen und deren Haustiere. In 8- bis 12-Stunden-Schichten sorgten sie dafür, dass dort rund um die Uhr Tierfutter, eine Auswahl an tierärztlicher Unterstützung sowie weitere Versorgungsgüter für Tiere zur Verfügung standen. Die Menschen auf der Flucht waren dankbar, dass sie so herzlich und mitfühlend aufgenommen wurden und wir ihnen zumindest etwas die Sorge um ihre vierbeinigen Begleiter nehmen konnten.
Zu diesen Menschen gehörte auch die 31-jährige Alina Beskrovna. Die mutige Ukrainerin war aus einem Keller in der ukrainischen Stadt Mariupol zwischen der Krim und dem Donbas geflüchtet. Dort saß sie mit ihrer Mutter und den drei Katzen fest. Erst nach fünf Wochen konnten sie fliehen und sich auf eine sechs Tage währende Odyssee durch 16 russische Kontrollpunkte machen, bis sie schließlich an dem Grenzübergang ankamen, an dem das hilfsbereite Team des IFAW wartete.
Insgesamt waren 43 Helfer:innen des IFAW – darunter sieben Tierärzt:innen – vor Ort, um geflüchtete Menschen mit ihren Tiere bei der Ankunft in Polen in Empfang zu nehmen und sich vor ihrer Weiterreise um sie zu kümmern. Unsere Helfer:innen kamen aus der ganzen Welt: Deutschland, Frankreich, Niederlande, Belgien, Großbritannien, Australien, USA, Mexiko und Costa Rica.
Bis Ende 2022 unterstützten wir ukrainische Tierärzt:innen, die sich weiter um geflüchtete Menschen und ihre Tiere kümmerten, die über den Bahnhof Przemyśl nach Polen einreisten. Außerdem haben wir mit über 40 Notfall-Finanzhilfen Rettungs- und Hilfsaktionen für Tiere unterstützt – in der Ukraine und anderen Ländern. Nach wie vor gehen bei uns Hilfsgesuche ein und wir arbeiten eng mit allen Empfänger:innen der Finanzhilfen zusammen, damit die jeweiligen Bedürfnisse erfüllt werden und so vielen Tieren wie möglich geholfen wird.
„Wir sind allen so dankbar. Wir wünschen uns so sehr Frieden. Wir sind körperlich und geistig völlig erschöpft. Ihr seid für uns da und das spüren wir. DANKE! 10.000 Dank an alle!“
Partnertierheim in der Ukraine
In den ersten 100 Tagen des Krieges leistete der IFAW über 42.000 Haustieren (überwiegend Katzen und Hunden) und Wildtieren wie Bären, Fledermäusen und Tigern direkte Hilfe. Zusätzlich unterstützten wir die vom Krieg betroffenen Familien und Betreuer:innen der Tiere.
Der IFAW ist unendlich dankbar für die großzügige Unterstützung aus aller Welt, die uns während des Kriegs in der Ukraine erreichte. Sie ermöglicht es uns, kontinuierlich die weiterhin dringend benötigte Hilfe zu leisten: in Form von tierärztlicher Versorgung, Tierfutter, finanzieller Nothilfe und Tierbedarf – dort, wo diese Hilfe am dringendsten benötigt wird. Dank der großzügigen Unterstützung werden wir in der Ukraine mehrere Jahre lang Tieren und Menschen helfen können. Als der Krieg ausbrauch, wurde neben der Nothilfe-Phase auch die Phase des Wiederaufbaus geplant. Wenn es so weit ist, werden wir zu dieser Phase übergehen. Dann wird der Schwerpunkt darauf liegen, Standards und Verfahrensweisen im Zusammenhang mit Tierwohl zu verbessern sowie widerstandsfähigere Einrichtungen, Systeme und Wildtier-Lebensräume zu schaffen.
Polnischukrainische Grenzerfahrung. Ein Interview:
Von Ende März bis Mitte Mai 2022 betreuten vom IFAW geschulte Einsatzkräfte und Tierärzte die Tierhilfe-Station am Grenzübergang Medyka zwischen Polen und der Ukraine. Das Team arbeitete ununterbrochen, um Geflüchteten mit ihren Haustieren zu helfen. In 8- bis 12-Stunden-Schichten boten sie rund um die Uhr Zugang zu Tierfutter, tierärztlicher Versorgung und anderen Bedarfsmitteln.
Vanessa Nowacki und Andreas Dinkelmeyer aus dem deutschen IFAW-Team waren vor Ort und berichten über ihren Einsatz:
Robert Kless (Interviewer): Können Sie beschreiben, wie das Camp vor Ort aufgebaut war?
Andreas: Der IFAW hatte seine Station am Grenzübergang für Fußgänger:innen im polnischen Medyka. Sobald die Flüchtenden die ukrainisch-polnische Grenze passiert hatten, lag ein circa 200 Meter langer Fußweg vor ihnen, bis sie zu den Bussen gelangten. Diese brachten sie in die nächstgelegene Stadt. Entlang dieser 200 m hatten Hilfsorganisationen ihre Angebote aufgebaut, in erster Linie humanitäre Hilfe. Mittendrin war das sogenannte „blaue Zelt“. Der Deutsche Tierschutzbund und der Bundesverband Gemeinschaft Deutscher Tierrettungsdienste hatten es aufgebaut und den IFAW dann gebeten, es zu betreuen. An dem Grenzübergang war es das einzige Hilfsangebot für Tiere.
Robert: Wie viele IFAW-Mitarbeiter:innen wurden im Zelt eingesetzt und welche Positionen wurden vergeben?
Vanessa: Pro Schicht wurden in der Regel fünf Personen eingesetzt. Neben Teamleiter: in, Tierärtz:in und zwei Helfer:innen hatten die ukrainischen Übersetzer:innen die wichtigste Rolle. Sie halfen uns Kontakt mit den Geflüchteten aufzunehmen, um etwa den Namen der Tiere zu erfahren und wie lange sie schon auf der Reise waren.
Robert: Wie sah das Hilfsangebot vor Ort aus?
Vanessa: Das Team hat jeder einzelnen Person oder Familie, die das Zelt mit ihrem Haustier betrat, geholfen. Ob Katzen, Hunde, Nagetiere – einfach allen Haustieren jeglicher Art. Wir boten Tierfutter, tierärztliche Untersuchungen, Decken, Transportmittel, Maulkörbe und vieles mehr, das die Weiterreise für Menschen und Tiere erleichtert an. Am wichtigsten war es oft, zunächst Wasser und Futter anzubieten, viele der Tiere waren viele Stunden oder Tage schon unterwegs.
Robert: Welche Motivation hatten Sie vor Ort?
Andreas: Zu sehen, wie wertvoll unsere Arbeit für die Menschen und Tiere ist, war sehr motivierend. Wir haben jeden Tag erlebt, wie wichtig es für Menschen ist, dass ihr Tier versorgt wird. Selbst kleine Dinge wie Zuhören oder eine Schale Wasser können dann eine große Bedeutung haben. Zeuge zu sein von der starken Verbindung zwischen Menschen und Tieren war beeindruckend.
Robert: Gibt es oder gab es Momente, an die Sie sich besonders erinnern aus der Zeit, sowohl positiv als auch negativ, etwas, das Ihnen in besonderer Erinnerung ist?
Vanessa: Die Vielzahl unterschiedlicher Hilfsorganisationen und die geballte Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtenden, das war sehr beeindruckend. Ich habe zwischendurch versucht auszublenden, was uns alle an diesen Ort gebracht hat. Man hätte denken können, wir sind auf einem Festival, jeder hat versucht, in irgendeiner Art und Weise andere Menschen glücklich zu machen. Die Verbindung zwischen Menschen und Tieren zu sehen, dass die Menschen niemals ihre Tiere hätten zurücklassen können, das war sehr berührend. Jede einzelne Geschichte war besonders.
Andreas: In Medyka trafen an einem Ort das beste und das schlimmste der Menschheit aufeinander: Auf der einen Seite die Hilfsbereitschaft, auf der andere Seite das Wissen darum, dass ein Krieg die Menschen dazu zwang, hier zu sein. Die Folgen dieses grausamen Krieges, seine absolute Sinnlosigkeit, das alles konzentriert an einem Ort zu sehen und zu erleben war sehr eindrücklich für mich.
Robert: Was nehmen Sie persönlich für sich mit aus Ihrer Arbeit dort?
Vanessa: Normalerweise sitze ich im Büro und bin für die Betreuung unserer Förderer:innen zuständig. Mit der Erfahrung aus diesem Einsatz kann und konnte ich unseren Förderer:innen aus erster Hand erzählen, was wir für die Tiere der Flüchtenden aus der Ukraine tun. Den Einsatz selbst habe ich mit gemischten Gefühlen verlassen. Ich war sehr glücklich, mehrere Tage Menschen und Tieren geholfen zu haben. Obwohl ich nach diesen intensiven Tagen sehr erschöpft war, hätte ich gerne noch weiter geholfen.
Robert: Was macht Ihnen mit Blick auf die aktuelle Lage vor Ort Hoffnung?
Andreas: Also für mich ist es, wie Vanessa gerade schon gesagt hat, die positive Energie und Hilfsbereitschaft, zu der Menschen fähig sind in solchen Extremsituationen. Das zeigt mir auch, wozu wir als Menschheit eigentlich fähig sind. Es ist großartig zu sehen, dass es Menschen nicht unberührt lässt, wenn so schlimme Ereignisse geschehen. Wenn wir es schaffen würden, dass diese Energie nicht nur in einem so dramatischen Fall wie einem Krieg entsteht, könnten wir so viel mehr bewegen: für den Planeten, für Tiere, für alle. Das macht mir aber auch Hoffnung.
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